Übersicht
Ärzte
Dank der Ärzte und Krankenkassen ist die medizinische Versorgung hier zu Lande im internationalen Vergleich hervorragend.
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Bereitschaftsdienst bei Ärzten
Bereitschaftsdienst zu übernehmen heißt, jederzeit verfügbar zu sein.
weiterlesenDamit in Krankenhäusern nicht irgendwann der medizinische Notstand ausbricht, müssen rund um die Uhr Ärzte vor Ort sein, um die medizinische Versorgung aufrecht zu erhalten. Dabei ist die Tätigkeit insofern eingeschränkt, als dass nicht die ganze Belegschaft, sondern nur einige, wenige Ärzte anwesend sein müssen.
Bereitschaftsdienst gibt es nicht nur im Krankenhaus, sondern auch bei Apothekern oder im EDV- und Kommunikationsbereich. Bei Übernahme des Bereitschaftsdienstes, darf sich der Arbeitnehmer entgegen den Bestimmungen bei der Rufbereitschaft, nicht an einem beliebigen Ort aufhalten, sondern muss sich an einem vorgegebenen Platz befinden um sofort zur Stelle sein zu können.
Wird der Bereitschaftsdienst vergütet?Bereitschaftsdienst gilt als zusätzliche, aber ganz normale Arbeitszeit. Nach einer Entscheidung des Europäischen Gerichtshofs aus dem Jahr 2000 (EuGH, 3. Oktober 2000 – C 303/98) ist Bereitschaftsdienst von Ärzten, den diese in persönlicher Anwesenheit in der Gesundheitseinrichtung zu leisten haben, als Arbeitszeit anzusehen. Auf Grund dessen unterliegt der Bereitschaftsdienst auch den Bestimmungen des Arbeitsgesetzes über die Höchstarbeitszeit von 48 Wochenstunden, ordnungsgemäßen Pausen und einzuhaltenden Ruhepausen zwischen den Diensten.
Obwohl der Bereitschaftsdienst der normalen Tätigkeit gleichgestellt wird, unterscheidet er sich doch in einem wesentlichen Punkt. Die Vergütung des Bereitschaftsdienstes richtet sich grundsätzlich nach dem, was vertraglich vereinbart wurde. Und so kommt es nicht selten vor, dass die Vergütung geringer ausfällt, als für die normale Arbeitszeit.
Begründet wird die geringere Bezahlung damit, dass der Arbeitnehmer im Bereitschaftsdienst nicht rund um die Uhr arbeitet, sondern sich lediglich in Notfällen betätigt. Die Arbeitsbelastung falle daher viel geringer aus als sonst. Das Bundesarbeitsgericht (BAG) argumentierte in seinem Urteil vom 28. Januar 2004 auf ähnliche Weise und hielt es für ordnungsgemäß, dass eine Klinik ihren Ärzten für die Ausführung des Bereitschaftsdienstes ein Drittel weniger Gehalt auszahlte (Aktenzeichen 5 AZR 530/02).
Kann man sich gegen die Ausführung von Bereitschaftsdienst wehren?Ob man zum Bereitschaftsdienst verpflichtet ist, kommt darauf an, was auf Grund des Arbeitsvertrages, einer Betriebsvereinbarung oder eines Tarifvertrages vereinbart wurde. Grundsätzlich dazu verpflichtet ist man als Arbeitnehmer nicht, hat man die Vereinbarungen jedoch unterschrieben, muss man sich wohl oder übel fügen.
Freizeit statt Geld?Muss man es akzeptieren, wenn der Arbeitgeber statt Vergütung Freizeitausgleich für die Ausführung von Bereitschaftsdienst anbietet? Das Bundesarbeitsgericht hat am 19. November 2009 ganz klar entschieden – ja! In dem zugrunde liegenden Fall klagte eine OP-Schwester auf Auszahlung von rund 4.500 Euro für getätigte Bereitschaftsdienste. Kurz zuvor hatte sie allerdings Freizeitausgleich für ihre Tätigkeit bekommen.
Es stellte sich nun die Frage, ob dieser Freizeitausgleich ausreichend war und eine Vergütung ersetzt wurde. Das Gericht entschied, dass Freizeit statt Bezahlung möglich sei. Es genüge, dass der Arbeitnehmer den Freizeitausgleich hinnehme, er müsste nicht ausdrücklich seine Zustimmung dazu erklären.
Stand: 05.01.2012
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IGeL
Individuelle Gesundheitsleitungen (IGeL) – wichtige Voraussetzungen für die juristische Durchsetzung Ihrer finanziellen Forderungen.
weiterlesenÄrzte haben die Möglichkeit, auch bei gesetzlich krankenversicherten Patienten zusätzliche individuelle Gesundheitsleistungen – abgekürzt IGeL – zu erbringen. Diese Leistungen werden von der gesetzlichen Krankenkasse (GKV) allerdings nicht erstattet und müssen privat abgerechnet und von den Patienten beglichen werden. Die Abrechnung der IGeL erfolgt auf der Grundlage der Gebührenordnung für Ärzte (GOÄ). Damit Ärzte ihre finanziellen Forderungen erstattet bekommen und juristisch durchsetzen können, müssen jedoch einige Formalitäten eingehalten werden. Ist dies nicht der Fall, kann die Vergütung juristisch nicht eingefordert werden. Damit Ihnen dies nicht widerfährt, sollten Sie folgende Punkte unbedingt einhalten beziehungsweise berücksichtigen:
1. Schriftliche Vereinbarung mit dem Patienten über dessen zusätzliche privatärztliche Behandlung treffenBei gesetzlich versicherten Patienten ist eine schriftliche Einverständniserklärung über die zusätzliche Erbringung von IGeL-Leistungen einzuholen. Diese Erklärung muss sowohl der Arzt als auch der Patient vor Beginn der Untersuchung beziehungsweise der Therapie unterzeichnen.
2. Behandlungsvertrag, Kostenvereinbarung sowie zusätzlich getroffene Festlegungen immer schriftlich fixierenAuch der Behandlungsvertrag über die Erbringung der IGeL muss schriftlich fixiert und von beiden Vertragsparteien unterzeichnet werden, und zwar vor der Erbringung der IGeL. Aus diesem Vertrag muss zweifelsfrei hervorgehen, dass und welche Kosten für die IGeL Behandlung in Rechnung gestellt werden. Zudem müssen auch alle anderen zusätzlichen Vereinbarungen schriftlich niedergelegt werden. Wenn beispielsweise eine IGeL-Leistung mit einem größeren Steigerungsfaktor als 3,5 in Rechnung gestellt werden soll, muss dies ebenfalls in die schriftliche Vereinbarung aufgenommen werden.
Gerade bei älteren Patienten oder Patienten mit Behinderungen muss darauf geachtet werden, dass der Behandlungsvertrag und die Kostenvereinbarung vom Betreuer oder gesetzlichen Vormund des Patienten gegengezeichnet werden. Ansonsten haben diese Verträge keine rechtliche Bindung und sind juristisch anfechtbar.
Manche Patienten können die Kosten für die Erbringung der IGeL nicht in einem Betrag zahlen und bitten deshalb um die Gewährung einer Ratenzahlung. Wenn Sie dem zustimmen, müssen die hierfür abgesprochenen Regelungen detailliert schriftlich festgehalten und von beiden Vertragsparteien unterzeichnet werden. Lassen Sie sich im Zweifelsfalle auch aktuelle Einkommensbescheinigungen, Renten-, Arbeitslosen- und Hartz IV-Bescheide vor der Erbringung der individuellen Gesundheitsleistungen von den Patienten vorzeigen und studieren Sie diese genau. Von Vorteil wäre es, wenn Sie von diesen Bescheinigungen eine Kopie für Ihre Unterlagen anfertigen, die Sie nach Begleichung Ihrer Forderung wieder vernichten sollten.
3. Abrechnung nach der Gebührenordnung für Ärzte (GOÄ)Die Abrechnung der IGeL erfolgt generell nach den GOÄ-Grundsätzen. Eine Abrechnung von Pauschalbeträgen ist gesetzeswidrig und daher nicht statthaft.
4. Umfassende Aufklärung des Patienten vor BehandlungsbeginnÜber sämtliche vorgesehene IGeL muss der Patient vor Beginn der Untersuchung vollumfänglich beraten respektive aufgeklärt werden. Eventuell ist für die Durchführung der spezifischen Therapie – auf Wunsch des Patienten – auch ein zweiter Termin anzuberaumen. Auf hierfür entstehende Kosten und deren Höhe muss der Patient ebenfalls im Beratungsgespräch hingewiesen werden. Zugleich müssen diese zusätzlichen Gebühren in der Kostenvereinbarung schriftlich festgehalten werden.
Vor Erbringung der IGeL-Leistungen müssen in der GKV versicherte Patienten darauf hingewiesen werden, dass es sich bei den IGeL generell um privatärztliche Leistungen handelt, die auch privatärztlich in Rechnung gestellt werden. Diese Aufklärung kann auch von geeignetem Fachpersonal der Praxis vorgenommen werden.
Achten Sie bitte auch darauf, dass die persönlichen Daten des Patienten, zu denen beispielsweise der vollständige Name, die Adresse und das Geburtsdatum gehören, in den Verträgen richtig dokumentiert wurden. Sonst kann es Ihnen passieren, dass Sie Ihre Rechnung über die erbrachten IGEL nicht an den richtigen Adressaten senden, langwierige und kostenintensive Nachforschungen angestellt werden müssen und es dadurch zu einem längeren und vor allem vermeidbaren Zahlungsausfall kommt.
Stand: 23.03.2012
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Rechtsschutz für Ärzte
Während sich der Normalverbraucher oft Gedanken über eine gute Rechtsschutzversicherung macht, lässt das Thema Rechtsschutz Ärzte zumeist völlig kalt.
weiterlesenZumindest stehen sie ihm im beruflichen Bereich eher uninteressiert gegenüber. Die Gründe dafür liegen, zumindest im Zusammenhang mit Kunstfehler-Verfahren, bei der Haftpflichtversicherung, ohne die kein Mediziner arbeitet. Die Berufshaftpflichtversicherung für Mediziner kümmert sich zumeist sehr fürsorglich um Ärzte, die mit einem Haftpflichtschaden im Medizinrecht konfrontiert werden. Patienten, die ihrerseits über eine Rechtsschutzversicherung verfügen, können sich bei einem Behandlungsfehler glücklich schätzen, denn die Kosten des Verfahrens sind beträchtlich. Umgekehrt benachrichtigt der Arzt seine Berufshaftpflichtversicherung, die mit ihrem indirekten Rechtsschutz Ärzte rechtsschutzversicherten Personen ausreichend angleicht. Andererseits verlässt dieser beschränkte Rechtsschutz Ärzte immer dann, wenn sie mit anderen Rechtsfragen außerhalb der beruflichen Haftung konfrontiert werden.
Die Mediziner stellen bei der Suche nach einer ergänzenden Versicherung fest, dass der Rechtsschutz Ärzte bislang eher stiefmütterlich behandelt. Die angebotenen Verträge lassen beim Versicherungsschutz den Rechtsschutz der Ärzte in wettbewerbsrechtlichen Streitigkeiten meist außen vor. Auch bei arbeitsrechtlichen Fragen ist es noch immer üblich, dass der Rechtsschutz Ärzte mit einer Ausschlussklausel trifft.
Geht es um Vertragsarztrecht unterstützt der Rechtsschutz Ärzte oft erst im gerichtlichen Verfahren. Dies ist für die Mediziner häufig ein Nachteil, denn schon der außergerichtliche Teil bedarf der gründlichen, anwaltlichen Bearbeitung, um Versäumnisse für das spätere Gerichtsverfahren auszuschließen. Trotz der vielfältigen und auch im Ergebnis kostspieligen Rechtsstreitigkeiten, die im Medizinrecht auf einen Arzt zukommen können, deckt kaum eine Versicherung im Bereich Rechtsschutz Ärzte umfassend und praktikabel ab.
Es ist deswegen einleuchtend, dass der Abschluss einer Versicherung für Rechtsschutz Ärzte nicht wirklich interessiert.Nur selten schließen sie eine Rechtsschutzversicherung ab, die den beruflichen Bedarf decken könnte, während beim privaten Rechtsschutz Ärzte eine entsprechende Versicherung keineswegs ablehnen und ihren Nutzen zu schätzen wissen. Ist Thema des Rechtsstreits jedoch Medizinrecht, können Anwälte zumeist davon ausgehen, dass eine vertragliche Abdeckung der Kosten durch einen Versicherer nicht vorhanden ist. Aus Gründen der Vollständigkeit erkundigen sich Rechtsanwälte dennoch nach einer möglichen Deckung.
Für den Fall, dass wider Erwarten ein rechtschutzversicherter Mediziner zum Mandanten wird, ist die Deckung für den Rechtsstreit deswegen noch lange nicht erteilt. Die Versicherer mögen eine entsprechende, vertragliche Absicherung zwar abgeschlossen haben, übernehmen aber deswegen nicht die übliche Abrechnung der erhöhten Kosten. Die Deckungszusage wird verkompliziert und artet in vielen Fällen zu einem Streit zwischen dem Versicherer und dem Rechtsanwalt aus, bei dem der Mandant zuguterletzt auch noch betroffen ist.
Dies ist spätestens der Fall, wenn die Abrechnung der Anwaltskosten ansteht. Rechtsstreitigkeiten im Medizinrecht sind zeit- und arbeitsintensiv. Die Versicherer bevorzugen es jedoch, im medizinischen Rechtsschutz Ärzte wie durchschnittliche Mandanten mit ebenso durchschnittlichem Bearbeitungsaufwand durch den Rechtsanwalt abzurechnen. Bei dem erfahrungsgemäß anstehenden Ärger um die Kostenrechnung bevorzugen Rechtsanwälte im Grunde Fälle, bei denen Ärzte ohne Rechtsschutz das Mandat erteilen.
Die Frage, ob sich die Absicherung des Lebensrisikos eines Rechtsstreits für einen Arzt lohnt, ist dennoch nicht so ohne Weiteres zu verneinen.Inzwischen haben auch einige Versicherer erkannt, dass die Kombination von übersteigerten Prämien und mangelhaftem Rechtsschutz Ärzte als Kunden insgesamt vertreiben kann. Die Konkurrenz am Markt ist groß und fast jeder Versicherer versorgt neben dem Rechtsschutz Ärzte auch mit einer Vielzahl anderer Produkte. So sorgen die Versicherer für Verstimmung bei ihren gewöhnlich zahlungskräftigen Kunden, weil sie im Bereich Rechtsschutz Ärzte aus Angst vor hohen Anwaltskosten benachteiligen. Im Ergebnis verlieren sie zunehmend auch die anderen Versicherungsverträge der Mediziner. Unter diesem Gesichtspunkt finden sich deswegen im Bereich Rechtsschutz für Ärzte seit einiger Zeit durchaus attraktive Vertragsangebote, die den speziellen Bedürfnissen angepasst sind.
Das Hauptaugenmerk sollte im Sektor Rechtsschutz für Ärzte jedoch verstärkt auf der Vertragsausgestaltung liegen und die Prämienhöhe nur als zweitrangiger Entscheidungsfaktor angesehen werden. Sinnvoll ist es, vor der Entscheidung für einen bestimmten Versicherer, Erkundigungen über den von ihm angebotenen Rechtsschutz bei Ärzten aus dem Kollegenkreis einzuholen. Aus Sicht der Betroffenen lässt sich häufig ein genaueres Bild des Abrechnungsgebarens eines Versicherers mit dem Anwalt des betroffenen Arztes ermitteln.
Es sind nicht nur Haftpflichtschäden, die einen Mediziner im Laufe seines Berufslebens mit einem Rechtsstreit konfrontieren. Eine gute Rechtsschutzversicherung mit umfangreicher Deckung der speziellen Rechtsfragen lohnt sich deswegen auch für einen Arzt. Dies gilt besonders, wenn der Arzt nicht durch eine große Praxis mit starken finanziellen Reserven abgesichert ist, die solche Streitigkeiten ohne Einschränkung auffangen kann.
Stand: 04.06.2012
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Schweigepflicht
Ist der Patient verstorben, kann er keine Erklärungen hinsichtlich der Befreiung von der ärztlichen Schweigepflicht abgeben.
weiterlesenMit dem Tod geht das Vermögen als Ganzes auf den oder die Erben über. Dazu zählen nicht nur die so genannten Aktiva wie Barvermögen, Schmuck, Wertpapiere, Immobilien und ähnliches, sondern auch die Passiva wie Bankschulden oder Steuerrückstände. Auch die Ärzte, die den Erblasser bis zu seinem Tod behandelt haben, stellen die erbrachten Leistungen noch posthum in Rechnung.
Ob diese Arztrechnungen dem Grunde und der Höhe nach berechtigt sind, können die Erben meist nicht einschätzen. Manchmal bestehen auch Zweifel, ob die ärztliche Behandlung durchwegs nach den Regeln der ärztlichen Kunst durchgeführt worden ist oder ob es geboten ist, Schadenersatzansprüche gegen die Ärzte geltend zu machen. Um solche Forderungen im Einzelnen darlegen zu können, ist eine Einsicht in die Patientenunterlagen unerlässlich, falls die betreffenden Ärzte keine Auskunft erteilen wollen oder die Vorwürfe abstreiten.
Die Herausgabe dieser Unterlagen wird von den behandelnden Ärzten häufig auch mit dem Hinweis auf ihre Schweigepflicht abgelehnt.Ärzte dürfen Patientendaten nicht unbefugt weitergeben, um sich nicht strafbar zu machen. Unbefugt heißt hier, dass die Weitergabe solcher Daten nur dann erlaubt ist, wenn der Patient ausdrücklich einwilligt. Dies gilt auch für die Weitergabe von Daten an die ärztlichen Verrechnungsstellen, auch wenn diese grundsätzlich selbst zur Verschwiegenheit verpflichtet sind. Von einer stillschweigenden Einwilligung des Patienten muss der Arzt ausgehen, wenn es sich um die Weitergabe dieser Daten an den Hausarzt handelt, der die ärztliche Behandlung fortsetzt.
Grundsätzlich kann die Einwilligung zur Einsicht in die Patientenunterlagen nur der Patient selbst geben. Entspricht es seinem mutmaßlichen Willen, dass bei der Verfolgung seiner – posthumen – Interessen die Erben Einsicht in diese Unterlagen erhalten? Mit dieser frage hatte sich das Oberlandesgericht München im Jahre 2008 zu beschäftigen. Die Ehefrau eines verstorbenen Patienten machte als Erbin gegenüber dem behandelnden Arzt geltend, man dürfe ihr die Herausgabe der Krankenunterlagen nicht verweigern. Sie benötige diese zur Durchsetzung möglicher Arzthaftungsansprüche. Der behandelnde Arzt weigerte sich jedoch und begründete diese Weigerung mit seiner ärztlichen Schweigepflicht. Daraufhin klagte die Ehefrau auf Herausgabe der Unterlagen. Das OLG gab der Klage statt.
Der Anspruch auf Einsicht in die Patientenunterlagen und die Herausgabe sei aufgrund der Gesamtrechtsnachfolge auf die Erbin übergegangen.Es habe sich dabei auch nicht um einen höchstpersönlichen Anspruch des Erblassers gehandelt, der nicht vererbbar sei. Vielmehr sei es um vermögensrechtliche Ansprüche gegangen, da die Erbin klären wollte, ob Ansprüche aus Arzthaftung mit Erfolg geltend gemacht werden können. Die Erbin habe ausreichend dargelegt, dass der Verdacht bestehe, es seien Behandlungsfehler begangen worden, auch seien Rückforderungsansprüche hinsichtlich bereits bezahlten Honorars zu prüfen. Damit sei ein möglicher Arzthaftungsanspruch substantiiert genug dargelegt und nicht von vornherein ausgeschlossen.
Der Arzt könne sich nicht auf seine Schweigepflicht berufen. Er habe gewissenhaft zu prüfen, ob nicht der verstorbene Patient auch gewollt hätte, dass die Erbin die Prüfung möglicher Behandlungsfehler vornimmt und dabei notgedrungen Einsicht in die Patientenunterlagen nehmen muss. Das Ansinnen der Erbin habe also dem mutmaßlichen Willen des Verstorbenen entsprochen. Dabei käme es auch maßgebend auf das Anliegen der die Einsicht begehrenden Person an. Im Ergebnis sei also von einer mutmaßlichen Einwilligung des Verstorbenen auszugehen und der klagenden Erbin Einsicht in die Patientenunterlagen zu gewähren.
Der Erbe muss sich nicht grundsätzlich damit abfinden, dass Arztrechnungen nach dem Tod des Erblassers hingenommen und bezahlt werden müssen.Natürlich kann der Verstorbene nicht mehr gefragt werden, ob er den Arzt von seiner Schweigepflicht befreit. Aber spätestens wenn es dem Erben gelingt, dem Gericht glaubhaft zu machen, dass Zweifel an der Korrektheit der ärztlichen Behandlung und an der Höhe der Abrechnung durch den Arzt bestehen, kann der Arzt die Herausgabe der Patientenunterlagen nicht verweigern.
Um seinen Erben später solchen Streit zu ersparen, kann man schon zu Lebzeiten eine entsprechende Regelung treffen. In einer Vorsorgevollmacht kann man festlegen, dass der Bevollmächtigte – posthum – Einsicht in die Patientenunterlagen erhält, insoweit also die behandelnden Ärzte gegenüber dem Bevollmächtigten von ihrer Schweigepflicht befreit sind. Die zweite Möglichkeit besteht darin, in einem Testament die behandelnden Ärzte von der Schweigepflicht gegenüber einer bestimmten Person, möglicherweise dem Erben, zu befreien.
Stand: 05.02.2013
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Von der Einzelpraxis zur MVZ-GmbH
Das am 11. Juni 2015 vom Bundestag verabschiedete Versorgungsstärkungsgesetz (GKVVSG) eröffnet zahnärztlichen Einzelpraxen neue Wachstumsmöglichkeiten.
weiterlesen
Medizin
Im Bereich der Medizin wird in letzter Zeit immer mehr vom Gesundheitsmarkt gesprochen, nicht mehr vom Gesundheitswesen.
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BAK
Die Bestimmung des Blutalkohols (BAK) und des C-reaktiven Proteins (CRP) sind in der Regel nicht für die Erstversorgung von Patienten erforderlich und können somit grundsätzlich nicht im Rahmen einer Notfallbehandlung abgerechnet werden. Das hat das Bundessozialgericht (BSG) mit Urteil vom 12. Dezember 2012 festgestellt (Aktenzeichen B 6 KA 5/12 R). Gleichzeitig hält es das BSG aber für denkbar, dass in Ausnahmefällen die Bestimmung bereits im Rahmen der Notfallbehandlung notwendig sein kann. In diesen Fällen hat der Leistungserbringer die Anforderung allerdings entsprechend zu begründen. weiterlesenDas Urteil des BSG wirft die Frage auf, ob die Bestimmung der BAK oder des CRP stattdessen als vorstationäre Leistungen abgerechnet werden können. Nach § 115 a Absatz 1 Nummer 1 Sozialgesetzbuch V kann das Krankenhaus bei Verordnung von Krankenhausbehandlung Versicherte in medizinisch geeigneten Fällen ohne Unterkunft und Verpflegung behandeln, um die Erforderlichkeit einer vollstationären Krankenhausbehandlung zu klären oder die vollstationäre Krankenhausbehandlung vorzubereiten (vorstationäre Behandlung). Die Abrechnung als vorstationäre Behandlung setzt damit die Verordnung einer Krankenhausbehandlung (Einweisung) voraus.
Gerade in den Notfallambulanzen der Krankenhäuser besteht differentialdiagnostisch häufig die Notwendigkeit, die Blutalkoholkonzentration zu bestimmen.Das Unterlassen einer medizinisch gebotenen BAK-Bestimmung aus finanziellen Gründen wäre haftungsrechtlich relevant. Um diese Untersuchung im Notfall abrechnen zu können, bestehen folgende Möglichkeiten:
Das Krankenhaus lässt sich eine Einweisung ausstellen und rechnet die Leistung gegenüber der Krankenkasse vorstationär ab. Dabei ist zu beachten, dass eine Verordnung von Krankenhausbehandlung nur durch einen Arzt, nicht aber durch Rettungssanitäter oder Rettungsassistenten erfolgen kann. Daher kann sich diese Umsetzung schwierig gestalten, wenn der Patient vom Rettungsdienst ohne einen Arzt an die Notaufnahme übergeben wird.
Der anfordernde Arzt begründet und dokumentiert in jedem Einzelfall die medizinische Notwendigkeit der Anforderung der BAK. Bei entsprechender Begründung ist eine Abrechnung der EBM-Ziffer 32337 (9,50 Euro) gegenüber der Kassenärztlichen Vereinigung möglich.
Stand: 19.12.2013
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Gesundheitsmarkt
Auf dem Gesundheitsmarkt ist ein fundamentaler Wandel zu beobachten.
weiterlesenDie Vertriebswege der Pharmaproduzenten haben sich merklich verschoben. Der Arzt, früher zentraler Ausgangspunkt für den Vertrieb neuer und erfolgreicher Arzneimittel, steht schon längst nicht mehr im Mittelpunkt des Geschehens. Noch vor einiger Zeit gab es auf dem Gesundheitsmarkt eine klassische und unverbrüchliche Kommunikationsstruktur, wobei die Position des Pharmareferenten den Schnittpunkt und Hauptverständigungsweg zwischen Ärzten und Industrie bildete. Der Pharmareferent diente als Vermittler zwischen betriebswirtschaftlichen Interessen und fachlichem Wissen.
Pharmareferenten, die sich durch ein gutes Verkaufstalent auszeichneten, sorgten auch für gute Umsatzzahlen durch entsprechende, ärztliche Verschreibungszahlen für das Medikament. Inwieweit die Verschreibungspraxis auch durch üppig ausgestaltete Fortbildungsveranstaltungen motiviert wurde, ließ sich im Einzelfall nie beweisen, sorgte aber immer wieder für den Verdacht der Bestechlichkeit. Dieser Verdacht sollte durch strengere Verhaltensregeln für Industrie und Ärzteschaft ausgeräumt werden.
Die gesetzliche Einführung der Rabattverträge hat diese Praxis auf dem Gesundheitsmarkt nachhaltig erschüttert.Die Reform des Gesundheitswesens hat zum Teil dazu geführt, dass einer Kommunikation zwischen Arzt und Industrie von vornherein ein Riegel vorgeschoben wird: durch die Einführung der Rabattverträge. Dies sind Verträge zwischen Gesundheitsindustrie und Krankenkassen, die eine exklusive Versorgung mit bestimmten Arzneimitteln für die Versicherten der Kasse vorschreiben.
Eine Revolution auf dem Gesundheitsmarkt: Finanzielle Interessen entscheiden jetzt darüber, welches Mittel verordnet wird – eine legale Vorgehensweise im Sinne der Staatsfinanzen? Dieselbe Praxis wurde vorher der Ärzteschaft mit der Begründung verweigert, dass die Gesundheit der Patienten über allem stehe.
Die Reform des Gesundheitswesens hat zu einem völlig neu strukturierten Gesundheitsmarkt geführt.Die Firmen auf dem Gesundheitsmarkt haben seitdem bis zu einem Fünftel ihrer Pharmareferenten einsparen können – was einen entsprechenden Rückgang bei der Kommunikation zwischen Arzt und Pharmaindustrie zur Folge hat. Die Entwicklung der Vertriebswege auf dem Gesundheitsmarkt geht weiter, aber klar ist heute schon: Die Pharmaindustrie wendet sich an andere Ansprechpartner. Ärzte bilden Netzwerke und schließen sich in größeren Praxen und Behandlungszentren zusammen. Die Leitung der Organisation dieser neuen Zusammenschlüsse wandert von den Ärzten in die Hände von betriebswirtschaftlich ausgebildeten Managern. Für die Pharmaindustrie bieten sich dadurch neue Einsparpotenziale im Außendienstbereich: Anstatt mit den Ärzten zu kommunizieren, werden die Manager aufgesucht – betriebswirtschaftliche Aspekte rücken zusehends in den Vordergrund, das Know-how und medizinische Spezialwissen der Ärzte, die Erfahrung im direkten Kontakt mit den Patienten verliert an Relevanz.
Der unmittelbare Einstieg in die ambulante Versorgung – zum Beispiel über Betreibergesellschaften – eröffnet für die Gesundheitsindustrie weitere Einsparmöglichkeiten. Zwar verzeichnet der Gesundheitsmarkt auf diesem Gebiet derzeit nur vereinzelt neue Innovationen, es scheint aber gesichert, dass in Zukunft diese Variante der Gesundheitsversorgung eine immer wichtigere Rolle spielen wird.
Was ist als Ergebnis dieses Umbruchs zu erwarten?Eine nur noch von finanziellen Interessen bestimmte neue Verhandlungskultur auf dem ambulanten Gesundheitsmarkt – bedingt durch den Wegfall der Ärzte als Akteure auf diesem Gebiet – wird sicherlich nicht dafür sorgen, dass die Diskussion um Korruption aufhören wird. Die Vorwürfe werden sich lediglich verlagern, während das Ausmaß anwachsen könnte. Vielleicht werden die zu erwartenden Skandale die bisherigen Affären noch weit in den Schatten stellen.
Der Schlüssel zur Verhinderung dieser Risiken liegt in der Rückkehr zur Einbeziehung der Ärzte in den Kommunikationsprozess. Denn die Ärzteschaft ist diejenige Gruppe im Gesamtgefüge des Gesundheitsmarktes, die im direkten Kontakt mit den Patienten steht. Und darum geht es ja letztendlich: um die Gesundheit der Patienten.
Stand: 30.03.2012
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MRSA
Auch für Tiere sind resistente Keime (MRSA) gefährlich.
weiterlesenMRSA steht für Keime die besonders resistent sind, auch gegen Antibiotika. Beim Menschen sind diese Keime als „Krankenhauskeime“ bekannt. Doch auch bei Tieren kann eine Infektion mit MRSA gefährlich werden. In einem Fall jagte eine Hiobsbotschaft die nächste. Eine Pferdebesitzerin musste ihr Pferd wegen einer Beule am Bauch operieren lassen. Nach der OP wollte und wollte die Wunde nicht abheilen. Das Tier hatte MRSA. Es gab nur noch ein Antibiotika für das Tier. Glücklicher Weise hat das dann geholfen.
So glimpflich geht es nicht immer aus: MRSA, kurz für Methicillin-resistente Staphylococcus aureus-Stämme, sind Bakterien, die Mensch und Tier gefährlich werden können. Verschiedene Antibiotika wirken nicht, was zu einer lange andauernden Infektion führen kann. Beim Menschen sind MRSA als Krankenhauskeime bekannt, mittlerweile sorgen sie in der Nutztierhaltung ebenfalls für enorme Probleme. Auch Haustiere können davon betroffen sein.
In den Tierarztpraxen scheint MRSA aber noch nicht so bekannt zu sein.Dies könnte daran liegen, dass dort keine Intensivpatienten behandelt werden. Derzeit läuft eine bundesweite Studie, für die mehrere hundert Pferde, Hunde und Katzen untersucht werden. So sollen Risikofaktoren aufgedeckt werden. Sicher ist, dass Mensch und Tier die gleichen MRSA-Typen in sich tragen. Wahrscheinlich stammen die meisten Stämme vom Menschen und gingen auf die Tiere über. Die Tiere können MRSA allerdings auch wieder auf den Menschen rückübertragen. Das ist in der Regel kein Grund zur Sorge. Ein Problem wäre es für den Menschen nur, wenn er kurz vor einer Organtransplantation steht.
Wenn Mensch oder Tier gesund sind, dann sind die MRSA-Bakterien meistens kein großes Problem. Gefährlich wird es aber, wenn das Immunsystem geschwächt ist, zum Beispiel nach einer Operation oder im Alter. Dann können die Bakterien lebensbedrohliche Krankheiten wie Wundinfektionen, Sepsis oder Lungenentzündungen verursachen. MRSA nisten sich in den Schleimhäuten ein und machen dabei keinen Unterschied zwischen Mensch, Meerschweinchen oder Pferd. Auch exotische Haustiere wie Schildkröten können betroffen sein.
Zur Wurzel des Übels gehören ausgerechnet die Antibiotika selbst.Sie vernichten im Körper nicht nur Krankheitserreger, sondern alle Bakterien, wenn sie nicht resistent sind. Da aber auch Bakterien überleben wollen entwickeln sie Resistenzen und geben diese sogar weiter.
Was Antibiotika angeht sind mittlerweile auch die Tierärzte beim Umdenken. Doch sie stehen den Erwartungen der Besitzer gegenüber, nach dem Motto „Eine Spritze und dann ist alles wieder wie vorher!“ Es ist in den meisten Fällen besser, Krankheiten mit anderen Mitteln zu bekämpfen, auch wenn es ohne Antibiotika etwas länger dauert.
Stand: 14.01.2013
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Organspendeskandal
Die Manipulation der Zuteilungsreihenfolge von Spenderorganen, die im Organspendeskandal aufgedeckt wurde, sei versuchte Tötung.
weiterlesenDie Manipulation der Zuteilungsreihenfolge von Spenderorganen durch einen Arzt zum Vorteil der eigenen Patienten sei als versuchte Tötung der dadurch benachteiligten, anderen Patienten zu qualifizieren. Diese Auffassung hat das Oberlandesgericht (OLG) Braunschweig in einem Beschluss vom 20. März 2013 vertreten (Aktenzeichen: Ws 49/13).
Dem in Untersuchungshaft befindlichen Transplantationsmediziner wird vorgeworfen, einige seiner – auf eine Spenderleber wartenden – Patienten wahrheitswidrig an die Stiftung Eurotransplant als Dialysepatienten gemeldet zu haben. Damit soll er versucht haben, die Reihenfolge der Zuteilung von Spenderorganen zu Gunsten seiner Patienten zu beeinflussen.
Das OLG entschied, dass auch die Sorge um den eigenen Patienten nicht geeignet sei, die Manipulationen des beschuldigten Arztes zu entschuldigen.Die Argumentation des OLG Braunschweig überzeugt jedoch nicht. Ein Arzt, der manipulativ seinen eigenen Patienten den vorschnellen Erhalt eines Organs sichert, geht nicht ohne Weiteres auch davon aus, dass er durch sein Handeln fremdes Leben eines unbekannten Kranken, dessen genauen Zustand er ebenfalls nicht kennt, zerstört. Denn Organe werden gerade auch an Patienten verteilt, die nicht sogleich zu versterben drohen.
Es handelt sich um keinen Einzelfall: Nach monatelanger Untersuchung aller 24 Lebertransplantationsprogramme in Deutschland hat die Bundesärztekammer nun einen Prüfbericht vorgestellt. Danach soll es in den Universitätskliniken Göttingen, Leipzig, Münster und im Klinikum rechts der Isar (München) systematische Regel- beziehungsweise schwerwiegende Richtlinienverstöße unterschiedlicher Ausprägung gegeben haben.
Neuer Straftatbestand im TransplantationsgesetzDer Gesetzgeber hat zwischenzeitlich auf den Organspendeskandal reagiert. Mit den §§ 10 Absatz 3, 19 Absatz 2 a Transplantationsgesetz in der neuen Fassung hat er einen neuen Straftatbestand mit Strafandrohung bis zu zwei Jahren Freiheitsstrafe für vorsätzliche, falsche Angaben gegenüber der Organvermittlungsstelle geschaffen.
Stand: 25.09.2013
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Patientenzuweisung
Niedergelassene Ärzte, die sich für eine Patientenzuweisung bezahlen lassen, gehen ein hohes Risiko ein.
weiterlesenEin Patient wird in ein ganz bestimmtes Krankenhaus eingewiesen und der Arzt, der diese Patientenzuweisung vorgenommen hat, bekommt dafür eine Art Provision von der Klinik. Eine Vorgehensweise, die auf den ersten Blick fragwürdig wirkt, aber nicht selten praktiziert wird. Die „Zuweiserpauschalen“ werden kontrovers diskutiert. Diese Art von Kooperation kann sowohl die Aberkennung der Vertragsarzt-Zulassung, eine disziplinarrechtliche oder gar strafrechtliche Verfolgung mit sich bringen oder sogar den Verlust der Approbation bedeuten. Zusätzlich muss der betroffene Arzt eine zivilrechtliche Inanspruchnahme befürchten.
Patientenzuweisungen nach diesem „Kooperationsmodell“ bedeuten nach landläufiger Meinung eine Verwendung von Krankenkassengeldern, die zweckwidrig ist. Betrug oder Untreue sind daher strafrechtliche Tatbestände, die diese Vorgehensweise oft erfüllt. Wettbewerbsverstöße und die zivilrechtliche Nichtigkeit dieser Kooperationsverträge führen zu Schadensersatz- und Unterlassungsansprüchen von konkurrierenden Ärzten und Kliniken.
Finanzielle Aspekte sollten die Patientenzuweisung nicht beeinflussen. Allein medizinische Aspekte dürfen ausschlaggebend für die Wahl des Krankenhauses sein. Folglich bestimmen die Berufsordnungen für Ärzte, dass das Versprechen oder Gewährenlassen eines Entgelts oder anderer Vorteile für die Patientenzuweisung in eine bestimmte Klinik verboten sind. Dasselbe gilt übrigens für die Zuweisung von Untersuchungsmaterial. Ein Rechtsanwalt kann Ärzten von dieser Praxis der Patientenzuweisung – auch wenn sie häufig vorkommt – nur abraten. Das Risiko ist zu groß.
Spätestens wenn sich die Ermittlungsbehörden beim Arzt melden, sollte ein Rechtsanwalt aufgesucht werden, der sich mit Straf- und Medizinrecht auskennt.Denn nicht immer verstößt jede Art von Kooperation zwischen Ärzten und Kliniken gegen geltendes Recht. Eine genauere juristische Überprüfung der konkret vereinbarten Form der Zusammenarbeit ist deshalb sinnvoll. Ausschlaggebend für die Frage, ob ein Verstoß gegen Berufsrecht vorliegt, ist immer, ob medizinische oder finanzielle Aspekte für die Frage der Patientenzuweisung entscheidend waren.
Man muss sich generell – auch im Lichte anderer Kooperationsformen zwischen Ärzten und Kliniken – die Frage stellen, ob eine Patientenzuweisung immer gegen die Interessen des Patienten gerichtet ist, wenn eine Zuweisungspauschale gezahlt wird. Ein Nachweis, dass Pauschalen für Patientenzuweisungen gegen Interessen der Patienten gerichtet sind, konnte bisher nicht erbracht werden.
Zumindest ist die Praxis der Gewährung einer Zuweisungspauschale so ungewöhnlich nicht, wenn man sich zwei andere Konstruktionen praktischer Zusammenarbeit zwischen Arzt und Krankenhaus ansieht. Dies sind
das Belegarztsystem und
die so genannte Integrierte Versorgung.Unter dem Begriff „Integrierte Versorgung“ wird die Zusammenarbeit zwischen Ärzten und Krankenhäusern gefördert.
Der Begriff bezeichnet eine vertraglich geregelte Kooperation zwischen Krankenkassen, Ärzten und Krankenhäusern, die ebenfalls Zusicherungen von Prämien für Ärzte und Krankenhäuser beinhaltet. Das System der Integrierten Versorgung wird sogar vom Gesetzgeber seit 2004 durch neue Regelungen tatkräftig unterstützt. Letztlich ist es jedoch nichts anderes als eine legale Form der Patientenzuweisung gegen Entgelt.
Für das Belegarztsystem, das hierzulande eine lange Tradition hat und von niemandem in Zweifel gezogen wird, gilt das für die integrierte Versorgung Genannte ebenso. Patientenzuweisungen eines Arztes erfolgen auch hier für die Klinik, in der der Arzt als Belegarzt tätig ist. Auch diese Praxis wurde bisher nie als eine Vorgehensweise angesehen, die gegen die Interessen der Patienten verstößt. Selbstverständlich wird auch hier davon ausgegangen, dass die Patientenzuweisung nur unter medizinischen Aspekten erfolgt.
Dieser Blick auf die legalen Formen der Zusammenarbeit stellt klar, dass die überhitzte Diskussion um Patientenzuweisungen gegen Entgelt nicht ganz ehrlich geführt wird.Die Diskussion ist auch nicht ganz neu. Zuweiserprämien verstoßen nicht erst seit heute gegen geltende Berufsordnungen. Ob eine Patientenzuweisung gegen Entgelt auch strafrechtliche Normen verletzt, ist immer eine Frage des Einzelfalls; manchmal gibt es gute Gründe, diese Frage zu verneinen. Auch die zivilrechtlich geschlossenen Verträge sind überprüfbar und Verstöße gegen das Wettbewerbsrecht können abgemahnt werden.
Die Neuregelung des § 128 Absatz 3 Sozialgesetzbuch (SGB) V, die seit dem 5. August 2009 in Kraft ist, stellt klar, dass Leistungserbringer des SGB V (beispielsweise auch Sanitätshäuser) Vertragsärzte an der Versorgung nicht entgeltlich beteiligen dürfen. Wer gegen die Regelung des § 128 Absatz 3 SGB V verstößt, kann für die Dauer von bis zu zwei Jahren von der Versorgung gesetzlich Versicherter ausgeschlossen werden – eine Anordnung, die für viele Betroffene existenzbedrohend sein kann.
Natürlich darf keine ärztliche Entscheidung auf medizinischem Gebiet allein von finanziellen oder wirtschaftlichen Erwägungen geleitet sein.Eine von wirtschaftlichen Aspekten völlig losgelöste Entscheidung ist aber – ganz unabhängig von der Frage der Patientenzuweisungen – heutzutage auf den wenigsten Gebieten möglich. Ärzte sind in der heutigen Zeit immer auch Unternehmer; Zuweisungspauschalen für Patientenzuweisungen sind in dieser Hinsicht nur ein kleines Detail der Wirklichkeit des Systems. Dass die Diskussion um Patientenzuweisungen gegen Pauschalen und die gesetzgeberische Aktivität auf diesem Gebiet die Vertragsgestaltung zwischen Ärzten und Krankenhäusern zukünftig beeinflussen wird, steht außer Zweifel. Nicht aufzuhalten ist jedoch die zunehmende Verflechtung der Bereiche der niedergelassenen Ärzte und der Krankenhäuser.
Stand: 21.05.2012
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Reha
Die „Reha“ in der gesetzlichen Rentenversicherung.
weiterlesenWer Versicherter in der gesetzlichen Rentenversicherung ist, kann Anspruch auf Rehabilitationsmaßnahmen, kurz „Reha“ genannt, haben. Der Gesetzgeber nennt das jetzt im VI. Buch des Sozialgesetzbuch (SGB) „Leistungen zur Teilhabe“. Diese gliedert er auf in
Leistungen zur medizinischen Reha,
Leistungen zur Teilhabe am Arbeitsleben, jeweils neben ergänzenden Leistungen,
sonstige Leistungen zur Teilhabe.
Um solche Leistungen zu erhalten, muss der Versicherte bei Antragstellung zwei Gruppen von Voraussetzungen erfüllen:
Gruppe 1 sind persönliche Merkmale:a.) Die Erwerbsfähigkeit des Versicherten ist wegen Krankheit oder Behinderung erheblich gefährdet oder schon gemindert und – nach dem Grundsatz „Reha vor Rente“:
b.)
bei erheblicher Gefährdung der Erwerbsfähigkeit: Durch Leistungen zur medizinischen Reha oder Leistungen zur Teilhabe am Arbeitsleben kann eine Minderung der Erwerbsfähigkeit verhindert werden oder
bei schon geminderter Erwerbsfähigkeit: Durch solche Leistungen kann die Erwerbsfähigkeit wesentlich gebessert oder voll wieder hergestellt oder deren wesentliche Verschlechterung abgewendet werden oder
bei schon eingetretener, teilweiser Erwerbsminderung auf Dauer: Durch Leistungen zur Teilnahme am Arbeitsleben kann dem Versicherten der Arbeitsplatz erhalten bleiben.
Gruppe 2 verlangt versicherungsrechtliche Voraussetzungen, die der Versicherte erfüllen muss.
a.) Für alle drei Arten der Teilhabe sind die versicherungsrechtlichen Voraussetzungen erfüllt, wenn der Versicherte:
eine Wartezeit (Beitragszeiten und Ersatzzeiten) in der gesetzlichen Rentenversicherung von 15 Jahren aufweist oder
bereits eine Rente wegen verminderter Erwerbsfähigkeit bezieht oder bei bestehendem, fälligem Rentenanspruch wenigstens beantragt hat.
b.) Für die medizinische Reha gibt es Erleichterungen.
Zur Erfüllung der versicherungsrechtlichen Voraussetzungen reicht es aus, wenn der Versicherte in den letzten zwei Jahren vor der Beantragung sechs Monate versicherungspflichtig tätig war und dafür Pflichtbeiträge gezahlt wurden oder
wenn innerhalb einer Frist von zwei Jahren ab Beendigung einer Ausbildung eine versicherte Betätigung begonnen und bis zur Beantragung der Reha-Leistung ausgeübt wurde, wobei es unschädlich ist, wenn nach Zahlung mindestens eines Pflichtbeitrags der Versicherte arbeitsunfähig oder arbeitslos wurde oder
Die versicherungsrechtlichen Voraussetzungen der medizinischen Reha sind auch bei dem Versicherten erfüllt, der insgesamt eine Wartezeit von mindesten fünf Jahren aufweist und bereits vermindert erwerbsfähig ist oder bei dem dies in absehbarer Zeit – im Schrifttum: eine Zeit bis zu drei Jahren – zu erwarten ist.
c.) Für die berufsfördernden Reha-Leistungen (Teilnahme am Arbeitsleben) gibt es ebenfalls Erleichterungen:
Statt bereits eine Rente wegen verminderter Erwerbsfähigkeit zu beziehen, genügt es, wenn ohne die Leistungen zur Teilhabe am Arbeitsleben die Rente zu zahlen wäre. Es müssen also die gesundheitlichen wie auch versicherungsrechtlichen Anforderungen einer solchen Rente vorliegen oder
nach Durchführung einer medizinischen Reha ist als Anschlussmaßnahme eine berufsfördernde Reha zur voraussichtlich erfolgreichen Rehabilitation erforderlich.
d.) Bei den sonstigen Leistungen variieren die Voraussetzungen je nach Leistungsart mehrfach (§ 31 SGB VI).
AusschlussgründeAllerdings kann der Versicherte von der Rentenversicherung dann keine Reha-Leistung erwarten, wenn er sie nach Arbeitsunfall oder Berufskrankheit von seiner Berufsgenossenschaft, als Kriegsbeschädigter oder ähnliches Opfer von den Versorgungsbehörden oder bei akuter Krankheit sowie erforderlicher Krankenhausbehandlung von seiner Krankenkasse erhalten kann.
Stand: 02.11.2012
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Reha II
Wenn der Versicherte eine Reha beantragt, die Voraussetzungen erfüllt und kein Ausschlussgrund vorliegt, muss der Rentenversicherer Reha-Maßnahmen bejahen.
weiterlesenEr hat dann im Rahmen seines pflichtgemäßen Ermessens bei sparsamem Wirtschaften über Art, Dauer, Umfang, Beginn und Durchführung sowie über die Reha-Einrichtung zu entscheiden.
Verhältnismäßig neu ist die Einräumung eines persönlichen Budgets. Dabei wird dem Versicherten von mehreren befassten Sozialversicherungsträgern ein monatlicher Geldbetrag zur eigenverantwortlichen Verwaltung und Bezahlung von Fördermaßmaßnahmen zur Verfügung gestellt. Das Geld soll den im Rahmen einer getroffenen Zielvereinbarung mit Qualitätssicherung zuvor festgestellten, individuellen Bedarf decken.
Das Ziel der medizinischen Reha ist die Erhaltung oder Wiederherstellung der Gesundheit und damit der Erwerbsfähigkeit.
Dazu werden vornehmlich eingesetzt:
ärztliche, zahnärztliche und Leistungen sonstiger Heilberufe,
Arznei- und Verbandsmittel,
Hilfsmittel (etwa Körperersatzstücke) und
Psychotherapie.
Auch die Leistungen zur Teilhabe am Arbeitsleben bezwecken, die Fähigkeit zur möglichst dauerhaften Ausübung eines Berufes zu erhalten oder wieder herbeizuführen.
Die eingesetzten berufsfördernden Mittel müssen für diese Zweckverfolgung geeignet und erforderlich sein. Dafür kommen vornehmlich in Betracht:
arbeitsplatzerhaltende Maßnahmen,
Berufsvorbereitung,
betriebliche Qualifizierung,
berufliche Anpassung nebst Weiterbildung und Schulabschluss,
Hilfen zur Verarbeitung böser Erlebnisse,
Aktivierung von Selbsthilfepotential,
Kraftfahrzeughilfe und vieles mehr.
Als sonstige Leistungen zur Teilhabe können unter anderem eingesetzt werden:
Nachsorge nach durchgeführter Reha und bei Krebserkrankungen,
begleitend zur Reha die zeitlich begrenzte Versorgung hilfsbedürftiger Angehöriger,
medizinische Vorsorge bei besonders gefährdender Berufstätigkeit,
stationäre Heilbehandlung der Kinder von Versicherten,
finanzielle Unterstützung der Reha-Forschung.
Üblicherweise erzielt der Versicherte während seiner Reha-Teilhabe keinen Arbeitsverdienst.
Als Lohnersatz steht ihm ein Übergangsgeld gegen den Rentenversicherer zu, wenn er bis vor Antritt der Reha gearbeitet und Beiträge zur Rentenversicherung gezahlt hat. Bezog er bei Reha-Antritt Sozialleistungen, steht ihm für den Reha-Zeitraum dann Übergangsgeld zu, wenn aus dem der Sozialleistung zu Grunde liegenden Arbeitseinkommen oder früheren Arbeitseinkommen Beiträge zur Rentenversicherung abgeführt wurden.
Die Höhe des Übergangsgeldes richtet sich nach dem früheren Arbeitseinkommen, für das auch bei variabler Zahlung das kalendertägliche Regelentgelt berechnet wird. Hiervon werden 80 Prozent für die Bemessung des Übergangsgeldes zu Grunde gelegt (Bemessungsgrundlage). Das kalendertägliche Übergangsgeld beträgt bei Versicherten mit Unterhaltsverpflichtungen 75 Prozent, bei Versicherten ohne Unterhaltsverpflichtung 68 Prozent der Bemessungsgrundlage.
Stand: 02.11.2012
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Zwangsbehandlung
Einwilligung des Betreuers in eine ärztliche Zwangsbehandlung.
weiterlesenAls der Gesetzgeber im Jahr 1992 das menschenverachtende Entmündigungsrecht abschaffte und es durch die rechtliche Betreuung ersetzte, sah er keinen Grund, für eine ärztliche Zwangsbehandlung eine besondere Rechtsgrundlage zu schaffen. Die Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs (BGH) bis zum Jahr 2006 und die Wissenschaft waren sich einig, dass eine Zwangsbehandlung auch im Rahmen einer stationären Unterbringung rechtlich zulässig war. Natürlich musste dabei der Grundsatz der Verhältnismäßigkeit strengstens beachtet werden, soweit der Betreute einwilligungsunfähig war. Ein Betreuer konnte – so der BGH – auch gegen den natürlichen Willen des Betreuten in derartige, ärztliche Maßnahmen einwilligen.
Keine Zwangsbehandlung ohne Einwilligung des Betreuers.Im Jahr 2011 forderte das Bundesverfassungsgericht eine Rechtsgrundlage für eine Zwangsbehandlung, die § 1906 Bürgerliches Gesetzbuch (BGB bisher) in der alten Fassung nicht gewährt. Der BGH schloss sich dieser Meinung an. Diesem Auftrag folgte der Gesetzgeber und besserte § 1906 BGB nach.
Die Voraussetzungen im Einzelnen:
Der Betreute ist einwilligungsunfähig.Er kann aufgrund einer psychischen Krankheit oder einer geistigen oder seelischen Behinderung die Notwendigkeit der Maßnahme nicht erkennen. Seine Einwilligungsunfähigkeit muss sich darauf beziehen, sein Grundrecht auf körperliche Unversehrtheit überhaupt selbstbestimmt wahrnehmen zu können. Dies ist zeitweise der Fall, etwa bei schweren Depressionen und Manien, Essstörungen oder Schizophrenie. Dem Betreuten fehlt die Einsichtsfähigkeit, das heißt die so genannte Steuerungs- und Handlungsfähigkeit. Der Betreute kann in akuten Phasen Informationen nicht mehr rational sondern nur noch paranoid verarbeiten.
Gleiches gilt bei extremen Störungen des Kurzzeitgedächtnisses, die eine Krankheits- und Behandlungseinsicht unmöglich machen und wenn demenzbedingt kein eigener Wille mehr erkundet werden kann.
Der Versuch, den Betreuten zur Einwilligung zu bewegen, ist gescheitert.Es muss intensiv versucht werden, den Betreuten von der Notwendigkeit der Maßnahme zu überzeugen. Dies muss mit ausreichendem Zeitaufwand und ohne Druck, bei stationärer Unterbringung durch die dort tätigen Ärzte, in einem Zeitraum von bis zu 14 Tagen versucht werden.
Abwendung eines erheblichen, gesundheitlichen SchadensDie Maßnahme muss zwingend erforderlich sein, um drohenden, erheblichen Schaden abzuwenden. Bei dieser Prognoseentscheidung ist zu beachten, inwieweit die Erkrankung die Willensbildungs- und Steuerungsfähigkeit des Betreuten beeinflusst. Je irreversibler die zu erwartenden Schäden sind, desto eher ist die Maßnahme gerechtfertigt. Es muss ein derartiger Schweregrad erreicht oder zu befürchten sein, dass ein Eingriff in das Selbstbestimmungsrecht bezüglich der körperlichen Integrität gerechtfertigt erscheint.
Eine weniger einschneidende Maßnahme scheidet aus.Es gibt für den Betreuten keine andere, zumutbare Maßnahme, um den gesundheitlichen Schaden abzuwenden. Hier ist allein die Sicht des Betreuten maßgeblich.
Abwägung von Nutzen und RisikenDer Arzt soll nur unter ganz engen Voraussetzungen berechtigt sein, Zwangsbehandlungen durchzuführen. Das Selbstbestimmungsrecht des Menschen („geschützte Freiheit zur Krankheit“) soll unbedingt gewahrt werden. Die ärztliche Zwangsmaßnahme muss immer die ultima ratio sein. Der zu erwartende Nutzen muss die zu befürchtenden Beeinträchtigungen deutlich übersteigen. Je schwerwiegender der Eingriff ist, je entwürdigender oder traumatisierender, je mehr körperliche Gewalt zur Durchsetzung erforderlich ist, desto deutlicher muss der Nutzen für den Betreuten sein und die eintretenden Nachteile weit übersteigen.
Durch die Änderung der Rechtsprechung war eine gesetzliche Lücke entstanden, die nunmehr geschlossen ist.Es gibt jetzt eine gesetzliche Grundlage für die Veranlassung ärztlicher Zwangsmaßnahmen unter geschlossenen, stationären Bedingungen durch den Betreuer. Dennoch ist der Gesetzgeber weiterhin aufgerufen, noch bessere Bedingungen zur Vermeidung von Zwangsbehandlungen zu schaffen. Er muss sich auch mit der Frage der ambulanten Zwangsbehandlung befassen, die ungeregelt bleibt, obwohl sie der BGH bereits im Jahr 2000 mangels Rechtsgrundlage als unzulässig bezeichnet hat.
Stand: 27.08.2013
Patienten
Viele Patienten sind verunsichert. Einerseits wird die medizinische Versorgung immer teurer, andererseits hat der Ruf der Ärzteschaft gelitten
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Behandlung im EU-Ausland
Erstattung der Kosten für eine ambulante Arzt- oder Zahnarztbehandlung in einem der Europäischen Union beigetretenen, ausländischen Staat.
weiterlesenDer binneneuropäische Tourismus wie auch Kostengesichtspunkte bringen es mit sich, dass eine Krankenbehandlung jenseits der nationalen Grenzen in Anspruch genommen wird. Damit stellt sich die Frage, ob der in Deutschland versicherte Kassenpatient einen Anspruch darauf hat, dass seine Krankenkasse ihn von den Kosten einer ambulanten Auslandsbehandlung innerhalb der EU entlastet.
Die gesetzlichen Krankenkassen haben lange auf das im Sozialrecht geltende Territorialitätsprinzip verwiesen und folgenden Standpunkt eingenommen: Mit einer Kostenübernahme für eine Behandlung im Ausland kann ein Kassenpatient nur dann rechnen, wenn er sich vor der Behandlung eine Genehmigung des zuständigen Sozialversicherungsträgers eingeholt hat. Dieser Praxis erteilte der Europäische Gerichtshof in zwei Entscheidungen eine Absage. Zunächst hatte er sich mit der Frage zu befassen, ob eine luxemburgische Krankenkasse die Erstattung der Kosten für eine Brille verweigern durfte, die ein luxemburgischer Staatsangehöriger durch Vorlage einer luxemburgischen Verschreibung bei einem Optiker in Belgien erworben hatte (Fall Decker). In einem weiteren Fall hatte ein luxemburgischer Bürger bei seiner Krankenkasse beantragt, seiner Tochter eine zahnregulierende Behandlung in Deutschland zu genehmigen, die ihm seine Krankenkasse aber versagte (Fall Kohll).
Der EuGH entschied in beiden Fällen zu Gunsten des Patienten.Im „Brillenfall“ (Decker) wertete er die ablehnende Haltung der luxemburgischen Krankenkasse als eine unzulässige Beschränkung der Warenverkehrsfreiheit. Eine vorherige Genehmigungspflicht berge die Gefahr in sich, dass der luxemburger Sozialversicherte sich allein deswegen dazu entscheide, die Brille in Luxemburg – und nicht in einem ausländischen Mitgliedsstaat – zu erwerben. Die Haltung der gesetzlichen Krankenkasse beeinträchtige damit rechtswidrig die Einfuhr derartiger Erzeugnisse aus anderen Mitgliedsstaaten. Im „Kieferregulierungsfall“ laufe nach Einschätzung des EuGH die Handhabung der gesetzlichen Krankenkasse auf eine nicht hinnehmbare Beschränkung der Dienstleistungsfreiheit hinaus. Eine derartige Regelung halte die Versicherten davon ab, sich an Ärzte oder Zahnärzte in einem anderen Mitgliedsstaat zu wenden.
Die Rechtsprechung des EuGH ist damit eindeutig: Sozialversicherte Patienten eines Mitgliedstaats der Europäischen Gemeinschaft haben das Recht, ohne vorherige Genehmigung des zuständigen Sozialversicherungsträgers (gesetzlicher Krankenversicherer) ambulante Gesundheitsleistungen in anderen Mitgliedsstaaten in Anspruch zu nehmen.
Damit ist nicht gesagt, dass die Kosten der Auslandsbehandlung stets in voller Höhe vom inländischen Sozialversicherer erstattet werden.Die Versicherten haben zwar die Wahl, sich entweder in ihrem Heimatland oder in einem anderen Mitgliedsstaat der Europäischen Union einer ambulanten ärztlichen oder zahnärztlichen Behandlung zu unterziehen. Das schützt sie aber nicht vor der Gefahr einer eigenen Kostenbeteiligung. Die gesetzliche Krankenkasse eines Patienten erstattet höchstens den Betrag, den sie bei einer Inlandsbehandlung aufbringen müsste. Stellt sich heraus, dass der ausländische Leistungserbringer teurer abrechnet als der inländische Arzt oder Zahnarzt, bleibt der Versicherte auf diesen zusätzlichen Kosten sitzen.
Umgekehrt darf der Versicherte auch nicht damit rechnen, dass sich ihm aufgrund der unterschiedlichen Arzt- / Zahnarzttarife innerhalb der Mitgliedsstaaten Gewinnchancen eröffnen. Fällt die Rechnung des ausländischen Leistungserbringers niedriger aus als der Inlandstarif, soll die Dienstleistungsfreiheit dem Versicherten keine Gewinnspannen im Krankheitsfall ermöglichen. Die Dienstleistungsfreiheit beseitigt lediglich die rechtlichen Hürden zur transnationalen Inanspruchnahme von ärztlichen oder zahnärztlichen Leistungen.
Von billigeren Auslandstarifen profitiert allein die gesetzliche Krankenkasse und nicht der Sozialversicherte.Trotz der patientenfreundlichen EuGH-Rechtsprechung sollte sich der Sozialversicherte, der sich in einem anderen Mitgliedstaat ambulant behandeln lassen will, vor der Behandlung um eine Kostenzusage bei seiner Krankenkasse bemühen. Denn das Recht, sich im ausländischen Mitgliedsstaat behandeln zu lassen, verliert schnell seinen Reiz, wenn die Behandlung im Inland günstiger (gewesen) wäre.
Stand: 05.11.2012
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Bobath-Vojta-Liege
Bereits 2006 hat sich das Bundessozialgericht (BSG) mit der Genehmigungspraxis der Krankenkassen bei der Verordnung einer Bobath-Vojta-Liege befassen müssen.
weiterlesenDie Therapie nach Bobath und Vojta wird von einem Physiotherapeuten auf einer besonderen Liege durchgeführt. Die Bewegungsübungen sind anstrengend und erfordern die Unterstützung einer Hilfsperson. Die Therapie findet mehrfach in der Woche statt und erstreckt sich über einen langen Zeitraum. Sie betrifft in der Regel Schlaganfallpatienten und Kinder mit gravierenden Bewegungsstörungen. Durchgeführt wird die Therapie auf einer Liege, die breiter als die gewöhnlichen ist, in der Höhe verstellt werden kann und über einen verstellbaren Kopf- und Fußteil verfügt. In seinen Praxisräumen verfügt ein Therapeut über die Bobath-Vojta-Liege. Sie ist nicht transportabel und eine Mitnahme zum Hausbesuch deswegen nicht möglich.
Ärzte, die eine Therapie nach Bobath oder Vojta verordnen, geben deswegen den Patienten ebenfalls eine Verordnung für die spezielle Bobath-Vojta-Liege. Die Krankenkassen lehnen die Kostenübernahme ab. Sie argumentieren, dass es sich um einen Bestandteil der Praxiseinrichtung des Therapeuten handelt. Eine transportable Variante soll sich dieser auf eigene Kosten anschaffen. Dies sei nicht Aufgabe des Patienten und seiner Krankenkasse. Die Liege stehe nicht im Hilfsmittelverzeichnis. Außerdem sei ein therapeutischer Nutzen gar nicht erkennbar, denn die Bobath-Vojta-Liege lasse sich bei der Therapie nach Bobath oder Vojta auch durch eine dicke Matratze oder Turnmatte ersetzen.
Diese Argumentation wird vom BSG abgelehnt.Zunächst stellte das BSG erneut fest, dass ein Hilfsmittel nicht immer dann ausscheidet, nur weil es nicht im Hilfsmittelkatalog steht. Dies ist ständige Rechtsprechung, die auch bei der Bobath-Vojta-Liege angewendet wird. Die Tatsache, dass die Liege Praxisausstattung ist, steht einer Übernahme der Kosten durch die Kasse ebenfalls nicht entgegen. Als erstattungsfähige Hilfsmittel scheiden nur die Gegenstände aus, die fest in der Praxis des Therapeuten oder in der Wohnung des Patienten eingebaut sind. Das ist bei einer Therapieliege nicht der Fall.
Auch wer sie benutzt, ist nicht entscheidend. Ein Argument der Kassen gegen die Kostenübernahme bestand darin, dass bei der Therapie nach Bobath und Vojta die Therapieliege schließlich nicht direkt am Körper des Patienten wirkt oder von diesem unmittelbar an sich angewendet wird. Aus diesem Grund könne es schon gar kein Hilfsmittel sein.
Das BSG vertritt in seiner Entscheidung eine andere Auffassung, was ein erstattungsfähiges Hilfsmittel ist.Danach reicht es aus, wenn der Erfolg der Behandlung durch die Liege gesichert wird oder sie zum Ausgleich einer Behinderung dient. Unterstützt sie eine dritte Person wie den Therapeuten oder einen Helfer dabei, den Therapieerfolg zu erreichen, so ist die Therapieliege ebenfalls ein Hilfsmittel, für das die Krankenkasse die Kosten übernehmen muss.
Die Bobath-Vojta-Liege fördert den Behandlungserfolg. Besonders hilflose Patienten wären ansonsten von der Versorgung mit Hilfsmitteln ausgeschlossen, wenn es immer nur darauf ankäme, ob sie die Mittel selbst und eigenhändig anwenden könnten. Für die Bobath-Vojta-Liege war bei der Entscheidung noch unklar, ob sie wirklich geeignet ist. Das BSG hat aber grundsätzlich der Kasse zu bedenken gegeben, dass durch den Einsatz im professionellen Bereich die Eignung nicht wirklich zweifelhaft sein kann.
Ein Schwerpunkt der Entscheidung ist dazu noch die Entlastung der Pflegepersonen, die bei Durchführung der Übungen auf einer Matratze oder Turnmatte in der eigenen Gesundheit beeinträchtigt werden. Eine ungeeignete Unterlage führt bei den regelmäßigen und anstrengenden Übungen für die Hilfsperson zu einer Zwangshaltung. Dies ist eine Gesundheitsgefährdung, die durch die Verordnung der Therapieliege vermieden wird.
Betroffene, die eine Bobath-Vojta-Liege beantragt haben und von der Krankenkasse eine Ablehnung erhalten, sind also gut beraten, wenn sie die Ablehnung überprüfen lassen.Das Urteil des BSG ist allen Kassen bekannt und muss bei der Prüfung der Kostenübernahme einbezogen werden. Nach den Regelungen des Sozialgesetzbuches (SGB) ist in Buch V § 33 SGB vorgesehen, dass die Kassen für Hilfsmittel aufkommen müssen, wenn sie – wie auch vom BSG angeführt – den Behandlungserfolg sichern, dem Ausgleich einer Behinderung dienen oder eine drohende Behinderung durch ihren Einsatz noch abwenden können.
Die Ausnahme, auf die auch das BSG hingewiesen hat, ist dann gegeben, wenn das benötigte Hilfsmittel ein alltäglicher Gegenstand ist, der als Gebrauchsgegenstand einzustufen ist. Eine genaue Definition gibt es nicht, was ein derartiger Gebrauchsgegenstand ist. Allerdings liegen mittlerweile Gerichtsentscheidungen vor, die die Definition genauer mit Beispielen füllen. Eine weitere Ausnahme ist noch zu beachten, wenn der benötigte Gegenstand als kostengering und nur mit minimalem therapeutischen Nutzen in der entsprechenden Verordnung gelistet ist. Eine Kostenübernahme durch die Kasse fällt dann weg.
Um nicht später eine aufwendige Kostenerstattung vorantreiben zu müssen, ist jedes Hilfsmittel zunächst mit einer ärztlichen Verordnung und einem Kostenvoranschlag bei der zuständigen Kasse zu beantragen. Nachträglich ist eine Erstattung nur dann möglich, wenn die Anschaffung dringend war und die Entscheidung der Krankenkasse nicht abgewartet werden konnte. Nachträglich muss die Kasse auch zahlen, wenn sie die Leistung zuerst abgelehnt hat und sich am Ende herausstellt, dass dies nicht rechtmäßig war.
Stand: 21.05.2012
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Burn-Out
Immer mehr Menschen in Deutschland leiden unter dem so genannten „Burn-Out-Syndrom“.
weiterlesenDas Wort burn-out kommt aus dem Englischen und bedeutet „ausgebrannt sein“. So fühlen sich die Betroffenen auch. Sie leiden unter psychischer Erschöpfung mit verminderter Leistungsfähigkeit. An ein Weiterarbeiten im Beruf ist nicht mehr zu denken. Aber irgendwann ist die Zeit der Entgeltfortzahlung und des Krankengeldes beendet und nach 78 Wochen stellt sich dann die Frage für die Betroffenen: Wie geht es jetzt weiter?
Wenn der Betroffene nicht mehr leistungsfähig ist, sollte im Einzelfall die Möglichkeit einer Erwerbsminderungsrente geprüft werden. Ein Problem hierbei ist, dass das Burn-Out-Syndrom nicht als Krankheit anerkannt ist, sondern nach dem ICD-Code Z 73.0 als „Problem der Lebensbewältigung“ gilt.
Es ist dennoch möglich, mit einem Burn-Out eine Erwerbsminderungsrente zu erhalten. Das Burn-Out-Syndrom äußert sich bei Betroffenen unterschiedlich, hat jedoch derart viele Symptome, dass sich hieraus ein Krankheitsbild ergibt: der Betroffene leidet unter Depressionen, Angstzuständen oder körperlichen Beschwerden wie Hörstürzen, Kopf- und Rückenschmerzen oder Magen-Darm-Beschwerden. Somit ist zwar der Burn-Out selbst keine Krankheit, aber die Symptome sind es.
Wie genau kommen Betroffene dann an ihre Erwerbsminderungsrente?Um überhaupt Erwerbsminderungsrente zu erhalten, muss ein Antrag bei der deutschen Rentenversicherung gestellt werden und der Betroffene darf die Grenze für die Altersrente noch nicht erreicht haben. Die deutsche Rentenversicherung prüft dann, ob die versicherungsrechtlichen und medizinischen Voraussetzungen zur Gewährung einer Rente wegen Erwerbsminderung erfüllt sind.
Versicherungsrechtliche Voraussetzungen bedeutet, dass im Regelfall die allgemeine Wartezeit erfüllt sein muss. Hierzu muss der Betroffene mindestens fünf Jahre in der gesetzlichen Rentenversicherung versichert gewesen sein. Zudem müssen in den letzten fünf Jahren vor Eintritt der Erwerbsminderung beziehungsweise des Leistungsfalls drei Jahre mit Pflichtbeitragszeiten belegt sein, die so genannte Drei-Fünftel-Belegung. Möglich ist auch, dass die allgemeine Wartezeit vorzeitig erfüllt ist, wie beispielsweise bei einem Arbeitsunfall oder einer Berufskrankheit.
Für einen juristischen Laien ist jedoch die Beurteilung oft schwierig, ob Pflichtbeitragszeiten vorliegen oder vielleicht sogar die Wartezeit schon vorzeitig erfüllt wurde.Auch die Beantwortung der Frage, wann genau der Leistungsfall, also die Erwerbsminderung, eingetreten ist, ist nicht ohne rechtlichen Rat möglich. Gerade bei einem schleichenden Prozess wie dem Burn-Out-Syndrom ist es häufig schwierig, einen Tag für den Eintritt der Erwerbsminderung zu bestimmen. Als nächster Prüfschritt ist dann die Frage zu beantworten, ob die medizinischen Voraussetzungen für eine Rente wegen Erwerbsminderung erfüllt sind. Hierbei ist die Leistungsfähigkeit des Betroffenen auf dem allgemeinen Arbeitsmarkt entscheidend, losgelöst von dem vorher ausgeübten Beruf. Zu unterscheiden ist zwischen der vollen Erwerbsminderung und der teilweisen Erwerbsminderung.
Voll erwerbsgemindert sind Betroffene, wenn das Restleistungsvermögen auf dem allgemeinen Arbeitsmarkt null bis unter drei Stunden beträgt. Eine teilweise Erwerbsminderung liegt dann vor, wenn das Restleistungsvermögen bei drei bis unter sechs Stunden liegt. Dies muss im Einzelfall durch medizinische Gutachten entsprechender Fachärzte geprüft werden, da nur ein Facharzt des betroffenen Gebietes dies beurteilen kann.
Hat der Betroffene auch diese Hürde genommen, wird die Erwerbsminderungsrente im Regelfall auf zunächst drei Jahre befristet, längstens insgesamt drei mal drei Jahre.Nach Ablauf dieser Frist wird die Rente wegen Erwerbsminderung unbefristet geleistet. Wurde eine teilweise Erwerbsminderung ermittelt, kann diese dann eine volle Erwerbsminderungsrente werden, wenn der Teilzeitarbeitsmarkt für den Betroffenen tatsächlich verschlossen ist.
Eine Privilegierung gibt es noch für Betroffene, die vor dem 2. Januar 1961 geboren wurden. Für diese Personen gilt die Vertrauensschutzregelung und neben einer Rente wegen Erwerbsminderung kommt noch eine Rente wegen Erwerbsminderung bei Berufsunfähigkeit, die jedoch unter anderen Voraussetzungen gewährt wird.
Wichtig ist daher, dass sich Betroffene bei Problemen unbedingt an spezialisierte Rechtsanwälte im Sozialrecht wenden, um keine Nachteile zu haben. Häufig werden einzelne Fallstricke auf dem Weg zur Erwerbsminderungsrente nicht gesehen oder der Weg bis zur Rentenbewilligung alleine aufgrund des Burn-Out-Syndroms ist zu beschwerlich.
Stand: 05.11.2012
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Geburtsschäden
Das Schmerzensgeld bei Geburtsschäden beinhaltet im Vergleich zu der sonst bestehenden medizinischen Haftung eines Arztes Besonderheiten.
weiterlesenSo haben Behandlungsfehler des Arztes oder der Hebamme in der Geburtshilfe nicht selten gravierende Auswirkungen. Gerade schwere Hirnschädigungen mit nicht behebbaren Dauerfolgen führen die betroffenen Familien an die Grenzen der Belastbarkeit. Kinder mit Geburtsschäden bleiben vielfach in allen Bereichen ihr Leben lang auf Hilfe von Dritten angewiesen. Neben der körperlichen und seelischen Belastung der Eltern führen gerade auch finanzielle Sorgen zu einer erheblichen Erschwerung der Situation.
So ist es nicht verwunderlich, dass in dem Bereich der Geburtsschäden die Zivilgerichte mitunter die höchsten Schmerzensgeldbeträge von rund 500.000 Euro festsetzen. Beispielhaft wären hier zu bezeichnen die Urteile des Oberlandesgericht (OLG) Zweibrücken vom 22. April 2008 – Aktenzeichen: 5 U 6/07 -, des OLG Köln vom 20. Dezember 2006 – Aktenzeichen: 5 U 130/01 – und des OLG Hamm vom 21. Mai 2003 – Aktenzeichen: 3 U 122/02. Diesen Urteilen zu Grunde lagen Schwerstschädigungen der Betroffenen: die Lähmung sämtlicher Gliedmaßen, die Erforderlichkeit einer künstlichen Ernährung, Erblindung und geistige Schwerbehinderung.
Bei entsprechendem Antrag haben die Gerichte gerade bei Geburtsschäden auch die Möglichkeit eine regelmäßige Schmerzensgeldrente festzusetzen.Diese wird neben einem einmal zu zahlenden Schmerzensgeld als Kapitalbetrag zusätzlich monatlich ausgezahlt. Bekannt hierzu sind Urteile mit monatlichen Geldrenten von 150 bis 500 Euro. Grundsätzlich darf die Schmerzensgeldrente im Verhältnis zu dem einmal zu zahlenden Schmerzensgeld nicht zu niedrig ausfallen.
Die Geldrente stellt zu dem einmal zu zahlenden Schmerzensgeld als Kapitalbetrag eine Ausnahme dar. Diese Ausnahme kommt in Betracht bei andauernder, fortwirkender und so empfundener, erheblicher Beeinträchtigung der Leistungsfähigkeit und Lebensfreude. Dieses gilt gerade bei den für Geburtsschäden typischen, schwerwiegenden Beeinträchtigungen angesichts schwerer oder schwerster Dauerschäden. Dazu zählen zum Beispiel der Verlust oder die erhebliche Beeinträchtigung eines Gliedes oder Sinnesorgans oder elementare Beeinträchtigung, die der Betroffene lebenslang schmerzlich spürt und wobei er immer wieder neu leidet, so bei schwersten Hirnschäden oder Querschnittslähmung.
Solange der Betroffene unter den Verletzungen leidet, soll er eine wiederkehrende Entschädigung für die stetige Lebensbeeinträchtigung erhalten. Die Schmerzensgeldrente hat zu dem einmal zu zahlenden Schmerzensgeld den Vorteil, dass der Betroffene regelmäßige Geldzahlungen erhält und die Familie – selbst bei finanzieller Unerfahrenheit – die Gelder nicht fehlerhaft verwirtschaftet.
Ein Urteil, das dem Betroffenen eine Geldrente zuspricht, ist sogar änderbar, so dass auch nachträglich eine Erhöhung der Geldrente in späteren Jahren möglich bleibt.Dieses ist alleine bereits im Hinblick auf die stetige Geldentwertung unverzichtbar. Ebenso ist denkbar, dass sich der Gesundheitszustand des Betroffenen so weit verschlechtert, dass die einmal festgelegte Geldrente als nicht mehr angemessen erscheint. Das einmal gezahlte Schmerzensgeld ist hingegen nicht änderbar. Lediglich wenn Umstände hinzukommen, die zum Zeitpunkt des Urteils nicht vorhersehbar waren, ist eine nachträgliche, einmalige Schmerzensgeldanpassung möglich.
Gerade bei Geburtsschäden sollte im rechtlichen Idealfall sowohl auf die Zahlung von Schmerzensgeld als auch auf eine Schmerzensgeldrente geklagt werden. Das Vorgehen des Anwalts sollte grundsätzlich immer beide Aspekte umfassen.
Stand: 04.07.2012
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Hilfsmittel
Das reformierte Sozialgesetzbuch V (SGB V) soll Formen der „unzulässigen Zusammenarbeit zwischen Leistungserbringern und Vertragsärzten“ erschweren.
weiterlesenSeit dem 1. April 2009 hat § 128 SGB V (Sozialgesetzbuch V) eine völlig neue Fassung. Am 1. August desselben Jahres wurden die Regelungen des § 128 SGB V mit der Novelle des Arzneimittelgesetzes (AMG) ein weiteres Mal ergänzt.
In der Vergangenheit verschafften sich Leistungserbringer oft – und so sieht es der Gesetzgeber: ungerechtfertigte – Wettbewerbsvorteile. Unzulässige Zuwendungen von Leistungserbringern (Hörgeräteakustikern, Orthopädieschuhmachern, Sanitätshäusern oder Vertriebsunternehmen für Hilfsmittel) füllten die Depots der Ärzte; diese gaben genau diese Hilfsmittel an die Patienten weiter – deren Wahlrecht damit faktisch eingeschränkt wurde. Und mit den Krankenkassen konnte stets derselbe Leistungserbringer abrechnen.
Die geänderte Vorschrift verbietet im Grundsatz die Versorgung mit Hilfsmitteln über Depots.Damit bewirkt sie eine erhebliche Einschränkung der damals üblichen, engen Zusammenarbeit zwischen den Leistungserbringern und Vertragsärzten. Ob der Vertragsarzt (beziehungsweise die Klinik oder das Krankenhaus) dabei von dem Anbieter der Hilfsmittel bezahlt wird oder nicht, spielt für das Depotverbot keine Rolle. Es gilt also: Auch wenn ein Vertragsarzt für die Haltung eines Depots von Hilfsmitteln keinen Cent erhält – Depothaltung ist trotzdem (bis auf wenige Ausnahmefälle) untersagt – und sogar mit Sanktionen belegt.
Eine genauere Ausgestaltung zu den Ausnahmen findet sich im Gesetz nicht. Allerdings gilt das Depotverbot für Hilfsmittel nicht bei
Produkten/Mustern;
Einführungen und Schulungen;
Notfällen.
Alle Materialien, Instrumente und Gegenstände, die direkt der ärztlichen Behandlung dienen, fallen nicht unter das Depotverbot.
Die Abrechnungsfähigkeit dieser Leistungen und der ärztlichen Behandlungsmaßnahmen bestimmt sich nach den im EBM festgelegten Gebühren. Die hier eingesetzten Gegenstände fallen schon von vornherein nicht unter den Begriff der Hilfsmittel im Sinne der Norm.
Die Ausnahme für bei Schulungen und Einführungen (oder zum Zweck von Diagnosen) eingesetzte Mittel bezieht sich nur auf solche, die in der Praxis des Arztes oder medizinischen Einrichtung erfolgen; sie müssen auch dort verbleiben. Ein weiterer Einsatz des Hilfsmittels durch den Versicherten im häuslichen Umfeld ist ausgeschlossen. Der Verbleib der eingesetzten Hilfsmittel in der Arztpraxis soll absichern, dass nur kleine Bestände in Depots vorhanden sind. Damit werden für die Krankenkassen wettbewerbsbehindernde Praktiken der Abgabe von Hilfsmitteln an Versicherte unmöglich gemacht. Die Größe zulässiger Depots wird sich im Einzelfall unter anderem nach der Praxisgröße bestimmen lassen. So wird eine Orthopädie oder Chirurgie einen naturgemäß höheren Bedarf haben als eine allgemein ausgerichtete Arztpraxis.
Welche Produkte fallen unter den Ausnahmetatbestand der Notversorgung?Hier hat der Spitzenverband der gesetzlichen Krankenkassen einige Vorgaben gemacht, an denen man sich orientieren sollte. Daneben gibt es auch in der Rechtsprechung Urteile, die versuchen diesen Begriff näher zu definieren, um den Beteiligten eine weitgehende Rechtssicherheit in Bezug auf das von ihnen erwartete Verhalten zu bieten.
Von einer Versorgung mit Hilfsmitteln im Notfall ist demnach auszugehen, wenn
eine umgehende Versorgung notwendig und die Versorgung nicht vorher planbar ist;
eine Beschaffung durch den Versicherten nicht zumutbar ist und der Versicherte nach der Versorgung wieder sein Zuhause aufsucht.
Dazu gilt im Einzelnen: Die Notwendigkeit einer umgehenden Hilfsmittelversorgung muss mit einem akuten, plötzlichen Ereignis im Zusammenhang stehen und medizinisch notwendig sein (siehe dazu auch § 33 SGB V). Auch darf keine „Planbarkeit“ der Hilfsmittelversorgung bestehen in dem Sinne, dass vorher das Eintreten des Ereignisses absehbar ist. Das Kriterium der Unzumutbarkeit einer Beschaffung durch den Versicherten selbst ist dann erfüllt, wenn dieser sich nicht mit der Eile, die im konkreten Fall geboten ist, bei einem anderen Leistungsträger das Hilfsmittel selbst beschaffen kann.
Absatz 3 der Vorschrift sichert das Depotverbot mit Sanktionen ab.„Geeignete Maßnahmen“ sollen Vertragsärzte bei eventuellen Verstößen auf die Geltung der Norm hinweisen. Folgende Sanktionen kommen dabei in Betracht:
Verwarnung;
Verweis;
Geldbuße.
Wenn die Verstöße ein schweres Ausmaß erreichen oder einzelne Beteiligte wiederholt auffällig werden, können diese laut Absatz 3 von der Versichertenversorgung für die Dauer von bis zu zwei Jahren ausgeschlossen werden.
Praktisch droht dann also ein Berufsverbot.
Unter Juristen umstritten ist, ob die Vorschrift über das Verbot von Depots eine Verbotsnorm ist, die unter §§ 3, 8 UWG (Gesetz gegen den unlauteren Wettbewerb) fällt. Bejaht man diese Frage, würde beim Anlegen unzulässiger Hilfsmitteldepots ein Wettbewerbsverstoß vorliegen, der einen Unterlassungsanspruch im Sinne des UWG zur Folge hätte. Damit nicht genug: Neben den genannten Sanktionsmöglichkeiten sind auch Freiheits- und Geldstrafen nach dem Strafgesetzbuch denkbar (zum Beispiel aufgrund des Bestechungs-Paragrafen). Sanktionsmöglichkeiten aus dem jeweils einschlägigem Berufsrecht und das Wettbewerbsrecht ergänzen die Möglichkeit der Ahndung von Verstößen. Für alle Beteiligten hatte die Neuregelung zur Folge, die bis dahin geübte Praxis zu überdenken und in der Regel zu ändern.
Stand: 02.05.2012
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Hörgeräte
Hörgeräte mit erheblichen Gebrauchsvorteilen sind immer kostenlos.
weiterlesenDie gesetzlichen Krankenversicherungen (GKV) sind bestrebt, nur Hörgeräte bis zum so genannten Festbetrag zu bewilligen. Zurzeit liegt der Festbetrag noch bei 421,28 Euro inklusive Mehrwertsteuer. Ab dem 1. November 2013 gilt ein Festbetrag von 784,94 Euro. An einem Hörgerät, dessen Preis darüber liegt, soll sich der Patient in Höhe der Differenz beteiligen.
Die GKV muss dem Patienten das Hörgerät zukommen lassen, dass bei ihm die bestmögliche Angleichung an das Hörvermögen Gesunder ermöglicht und so im Alltagsleben einen erheblichen Gebrauchsvorteil bietet. Das gilt auch, wenn der Preis des Gerätes über dem so genannten Festbetrag liegt. Eine Zuzahlung des Differenzbetrages zwischen Festbetrag und Gerätepreis darf vom Patienten nicht verlangt werden. Das hat das Bundessozialgericht bereits Ende 2009 entschieden.
Leider versucht die GKV diese Rechtslage durch verschiedene Maßnahmen zu umgehen. Der Patient sollte sich deshalb im so genannten Antragsverfahren keine Fehler erlauben und rechtzeitig unabhängige Hilfe in Anspruch nehmen. Naturgemäß scheiden damit die Beratungsstellen der GKV aus. Aber auch der Hörgeräteakustiker befindet sich aufgrund verschiedener, vertraglicher Verbindungen mit der GKV häufig in einer prekären Lage. Daher erfolgt seine Beratung in Bezug auf die Festbeträge und die Begleitung des Antragsverfahrens nicht unbedingt unabhängig.
Das Antragsverfahren verläuft im Wesentlichen wie folgt:Verordnung eines Hörgerätes durch den HNO-Arzt;
Aufsuchen des Hörgeräteakustikers;
vergleichende Anpassung (Probephase);
Testmessungen der probierten Geräte;
Festlegung des Gerätes mit den meisten Gebrauchsvorteilen;
Leistungsantrag bei der Krankenkasse;
Entscheidung der Kasse durch Bescheid.
Besonderes Augenmerk sollten Sie auf die Punkte 3 bis 6 legen.
Während der vergleichenden Anpassung (Punkt 3) muss der Hörgeräteakustiker mindestens zwei Hörgeräte nacheinander zur Probe (bis zu jeweils vier Wochen) zur Verfügung stellen. Diese dürfen den Festbetrag der Krankenkasse nicht übersteigen. Im Sinne des Wirtschaftlichkeitsgebotes muss der Patient versuchen, mit dem Festbetrag auszukommen. Ergibt sich bei der Hörprobe, dass der Gebrauchsvorteil nicht ausreichend ist, stellt der Akustiker ein oder mehrere, teurere Geräte probeweise zur Verfügung. Lassen Sie sich nicht auf die umgekehrte Reihenfolge ein. Beginnen Sie nicht mit den teureren Geräten. Keinesfalls sollten sie eine Kostenübernahme für Kosten unterzeichnen, die den Festbetrag übersteigen.
Haben sie die Geräte zum Festbetrag bei den Testmessungen (Punkt 4) ohne Störgeräusche als befriedigend eingestuft, bestehen Sie unbedingt auf einer Testmessung mit Störgeräuschen (Umgebungsgeräusche). Anderenfalls ist die Testmessung für den täglichen Gebrauch des Gerätes nicht aussagekräftig.
Das Hörgerät muss in Ihrem Alltagsleben tauglich sein.
Hat die vergleichende Anpassung ergeben, dass ein erheblicher Gebrauchsvorteil nur mit einem Hörgerät oberhalb des Festbetrages erreicht werden kann (Punkt 5), sollten sie den Leistungsantrag (Punkt 6) selbst bei Ihrer Krankenkasse stellen. Der Antrag ist kurz zu begründen mit den Gebrauchsvorteilen beim Sprachverstehen, insbesondere mit Umgebungsgeräuschen und in größeren Personengruppen (das sind typische Alltagssituationen). Der Kostenvoranschlag des Hörgeräteakustikers ist dem Antrag beizufügen. Fordern Sie von ihm die Protokolle der vergleichenden Anpassung (Messungen). Dieser Anpassungsbericht ist gleichfalls beizufügen. Lassen Sie den Leistungsantrag nur dann vom Hörgeräteakustiker bei der GKV einreichen, wenn Sie sich für ein Gerät innerhalb des Festbetrages entschieden haben.
Bewilligt die Krankenkasse das beantragte Gerät, ist das Antragsverfahren beendet. Der Akustiker händigt Ihnen das Gerät aus. Lehnt die Krankenkasse den Antrag bezügliche des von ihnen benötigten Gerätes ab, sollten sie spätestens jetzt professionelle Hilfe hinzuziehen. Nach der Ablehnung des Antrages folgt das fristgebundene Widerspruchsverfahren und bei dessen Erfolglosigkeit die fristgebundene Klage vor dem Sozialgericht.
Wichtiger Hinweis zur so genannten MehrkostenerklärungHierbei handelt es sich um eine Erklärung, die der Hörgeräteakustiker für die Krankenkasse von Ihnen verlangt. Diese reicht er zusammen mit der so genannten Versorgungsanzeige bereits zu Beginn der Probephase bei der Krankenkasse ein. Sie sollten die Mehrkostenerklärung lediglich unterschreiben, damit das Antragsverfahren überhaupt in Gang kommt und von der Krankenkasse bearbeitet wird. Keinesfalls aber sollten sie eine der vorgegebenen Begründungen für die Notwendigkeit des Hörgerätes ankreuzen. Wenn sich die Krankenkasse damit nicht zufrieden gibt, schreiben sie als Begründung in das Formular: „Sprachverstehen bei Umgebungsgeräuschen und in größeren Personengruppen.“ Lassen sie sich zu nichts anderem verleiten und / oder überreden. In der Regel wird es ihnen bei der Entscheidung für ein Hörgerät genau auf diese Funktionalität ankommen. Hilfe bei der Antragsstellung erhalten Sie auch beim Deutschen Schwerhörigenbund e. V.
Stand: 21.08.2013
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Mitwirkung
Die Behörde ermittelt den Sachverhalt von Amts wegen.?, so steht es in § 20 Absatz 1 Satz 1 SGB X (Sozialgesetzbuch).
weiterlesenEin nicht gerade spektakulär formulierter Satz, aber immerhin ein wichtiger Grundsatz, der das gesamte öffentliche Recht durchzieht und auch die Praxis wesentlich beeinflusst. Die Behörde muss also von sich aus feststellen, ob Ansprüche bestehen oder nicht, grundsätzlich ohne eine Mitwirkung des Antragstellers.
Aber im medizinischen Bereich kommt man ohne eine Beurteilung des Gesundheitszustands nicht aus. Das heißt beispielsweise bei der Beantragung eines bestimmten Hilfsmittels oder der Feststellung, ob eine Erwerbsminderung vorliegt, dass der Antragsteller hier mitwirken muss. Gesetzlich normiert ist eine Pflicht zur Mitwirkung für Sozialleistungen in § 60 SGB I. Im medizinischen Bereich ist die Pflicht zur Mitwirkung unterschiedlich ausgestaltet.
Unter Umständen muss sich der Betroffene ärztlich untersuchen lassen.Grundsätzlich ist man gut beraten, bereits bei der Antragstellung die notwendigen Befundunterlagen dem ausgefüllten Antragsformular beizulegen. Das kann zum Beispiel die ärztliche Verordnung bei der Beantragung eines Hilfsmittels sein. Wenn der Verordnung noch eine zusätzliche, detaillierte Erklärung des Arztes über gesundheitliche Einschränkungen vorliegt, wird man mit einer solchen freiwilligen Mitwirkung sicherlich bessere Erfolgsaussichten haben.
Oft halten die Sozialversicherungsträger aber auch direkte Rücksprache mit dem behandelnden Arzt – dies ist freilich wegen der ärztlichen Schweigepflicht nicht ohne Weiteres zulässig. Die Mitwirkung besteht dann in der Erklärung des Betroffenen, dass er seinen behandelnden Arzt von der Schweigepflicht gegenüber der Behörde entbindet. In vielen Antragsvordrucken finden sich Entbindungserklärungen, zum Beispiel bei Anträgen auf Leistungen aus der Pflegeversicherung. Allein diese Erklärung ist schon eine Mitwirkung.
Reicht dies nicht aus, kann die Einladung zu einer Untersuchung folgen. Denn medizinische Voraussetzungen müssen vollständig geprüft werden und so trifft den Antragsteller die Pflicht einer vollständigen, wahrheitsgemäßen und umfassenden Mitwirkung. Dass dieser Eingriff in die persönliche Sphäre als lästig empfunden werden kann, liegt auf der Hand.
Ein Untersuchungstermin bietet aber für die Durchsetzung des Anspruchs auch eine Chance.Mitwirkung durch persönliche Begutachtung kann dem begutachtenden Arzt einen hautnahen Eindruck verschaffen, den eine Diagnose eines anderen Arztes nicht bieten kann. Außerdem kann der Betroffene hier weitere Unterlagen mitbringen und persönlich Auskünfte über maßgebliche Fakten geben, die in Arztbriefen oft fehlen. Die Art der Schmerzen und persönliche Behinderungen im Alltag können dem Gutachter weitaus effektiver vorgetragen werden. Sie sind meist aussagekräftiger als eine Diagnose. Aber auch sie gehören zu einem medizinischen Sachverhalt, der Ansprüche begründen kann. Diese Art der Mitwirkung kann die Erfolgsaussichten erhöhen.
Ebenso wie der zur Mitwirkung verpflichtete Betroffene ist der Gutachter zur wahrheitsgemäßen, umfassenden und vollständigen Aufklärung des medizinischen Sachverhalts verpflichtet. Er ist unabhängig – aber er wird bezahlt von der beauftragenden Behörde.
Es steht der Pflicht zur Mitwirkung nicht entgegen, dass der zu Untersuchende eine Begleitperson zum Termin beim Gutachter mitnimmt.Die Begleitperson kann nicht nur eine emotionale Stütze bieten, sondern kann oft auch nähere Angaben zu den Beschwerden machen, um den medizinischen Sachverhalt noch besser aufzuklären. Auch ist eine Begleitperson immer ein potenzieller Zeuge für das, was bei der Untersuchung passiert ist.
Aber nicht jeder Arzt akzeptiert eine Begleitperson. Es gibt aus ärztlicher Sicht gute Gründe gegen die Anwesenheit einer weiteren Person bei der Untersuchung, ebenso wie es gute Gründe dafür gibt. Hier ist ein Grenzfall der Pflicht zur Mitwirkung gegeben. Das Landessozialgericht Rheinland-Pfalz hat es in einem Urteil so formuliert:
Ein Arzt darf die Mitnahme einer Begleitperson nur ablehnen, wenn ein wichtiger Grund dafür vorliegt.
Daraus folgt: Will ein Arzt ohne wichtigen Grund die Untersuchung ohne Anwesenheit der Begleitperson vornehmen, ist der Betroffene nicht zur Mitwirkung (in diesem Fall: zur Untersuchung) verpflichtet.
Weitere gesetzlich ausdrücklich geregelte Fälle, die zum Wegfall der Pflicht zur Mitwirkung führen, sind beispielsweise Untersuchungen,
bei denen eine Lebens- oder Gesundheitsgefahr nicht ausgeschlossen werden kann,
die nicht unerhebliche Schmerzen mit sich bringen oder
einen erheblichen körperlichen Eingriff mit Beeinträchtigung der körperlichen Unversehrtheit darstellen.
Wer sich als Betroffener einer solchen Gefahr ausgesetzt sieht, sollte sich auch durch Appelle an seine Pflicht zur Mitwirkung nicht irritieren lassen und die Untersuchung ablehnen oder abbrechen.
Das Gesetz ist hier eindeutig: Eine Pflicht zur Mitwirkung besteht in diesen Fällen nicht. Man sollte auch bedenken, dass der Arzt hier keine Behandlung zur Gesundheitsverbesserung durchführt, sondern nur begutachtet.
Neben Vorschriften enthält das Gesetz auch mögliche Sanktionen. Sie gelten aber natürlich nur dann, wenn es eine Pflicht zur Mitwirkung gibt. Eine Folge, die einer Sanktion gleichkommt, ist natürlich die Ablehnung des Anspruchs, weil der medizinische Sachverhalt ohne die Mitwirkung des Antragstellers nicht aufgeklärt werden kann.
Es empfiehlt sich, folgende Tipps zu beherzigen, sollten Zweifel über die Mitwirkungspflicht bei einer Untersuchungshandlung auftauchen:
Fragen stellen, die auf den Zweck der konkreten Untersuchungshandlung abzielen.
Entscheidungen erst dann treffen, wenn alle Informationen vorliegen.
Auch für diese Entscheidungen die Hilfe einer Begleitperson in Anspruch nehmen.
Aber auch bei einem abgelehnten Antrag besteht immer noch die Möglichkeit einer Nachholung der Untersuchung. Dann wird, unter Zugrundelegung der neu vorliegenden, medizinischen Erkenntnisse, ein weiteres Mal über den Antrag entschieden.
Stand: 18.05.2012
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Prothese
Der Zahnarzt schuldet dem Patienten eine, den allgemeinen Grundsätzen der zahnärztlichen Wissenschaft entsprechende Behandlung.
weiterlesenMit Ausnahme von Härtefällen wegen zu geringen Einkommens (§ 55 Sozialgesetzbuch (SGB) V) zahlen die gesetzlichen Krankenkassen nach Erstellung eines Heil- und Kostenplanes durch den Vertragszahnarzt dem Versicherten nur einen Teil der Kosten für eine zahnprothetische Leistung. Dieser so genannte Festzuschuss beträgt 50 Prozent der Kosten für eine so genannte Regelversorgung. Der Zuschuss erhöht sich bei der Gewährung eines Bonus (wegen regelmäßiger Vorsorgeuntersuchungen).
Der gesetzlich versicherte Patient erhält – wie der Privatpatient – eine Zahnarztrechnung, in der der Krankenkassenzuschuss schon abgezogen ist. Wählt der Patient neben der Regelversorgung einen eventuell besseren, gleichartigen Zahnersatz (§ 56 II Satz 10 SGB V), kommen noch Kosten zusätzlicher, zahnärztlicher Leistungen hinzu, die der Patient selbst bezahlen muss. Bei Inanspruchnahme einer dieser zwei Versorgungsarten – Härtefall ausgenommen – werden die Zahnarztkosten abzüglich des festgesetzten Festzuschussbetrages in der Rechnung ausgewiesen und bilden den Eigenanteil des Versicherten. Wählt der Patient eine andersartige Versorgung als die, welche in den Regelleistungen für den jeweiligen Befund beschrieben ist, gibt die Kasse keinen Zuschuss. Dann beträgt der Eigenanteil des Patienten 100 Prozent.
Für jeden Patienten stellt sich daher die Frage, ob er seinen Zahnarzt bezahlen muss, wenn seiner Ansicht nach die zahnärztliche Behandlung enttäuschend verlief.Nach mittlerweile gefestigter Rechtsprechung hat der Zahnarzt nicht für einen Behandlungserfolg einzustehen. Das Gelingen einer (zahn-)ärztlichen Leistung ist von zahlreichen – oft vom Zahnarzt nicht beherrschbaren – Faktoren abhängig. Diese ergeben sich aus der Besonderheit des Organismus und auch der seelischen Verfassung des Patienten. Den Zahnarzt-Patienten-Vertrag ordnet die Rechtslehre daher überwiegend als einen Dienstvertrag über Dienste höherer Art ein und nicht – wie etwa den Vertrag eines Kunden mit einer Autowerkstatt – als einen erfolgsorientierten Werkvertrag.
Allerdings gilt dieser Grundsatz nicht ausnahmslos. Soweit nur um die zahntechnisch fehlerfreie Herstellung der Prothese gerungen wird und der Patient reine Material- und/oder Brennfehler oder die zwischen ihm und dem Zahnarzt vereinbarte Farbgestaltung der Prothese bemängelt, ist die Tätigkeit des Zahnarztes erfolgsbezogen. Der Patient kann dann nach Werkvertragsrecht Nacherfüllung (§§ 634 Nr. 1, 635 Bürgerliches Gesetzbuch (BGB)), mithin bis zu Neuanfertigung der Prothese in einwandfreier Qualität und Farbgestaltung verlangen.
Das überwiegende zahnärztliche Leistungsspektrum unterliegt aber dem nicht erfolgsbezogenen Dienstvertragsrecht.Bei der spezifischen, zahnärztlichen Planung und Gestaltung der neuen Versorgung, wie etwa dem Exkavieren (Wegbohren) von Karies, der Parodontalbehandlung, dem professionellen Reinigen der Zähne, dem Setzen von Spritzen oder dem Implantieren handelt es sich um „Dienste höherer Art“. Diese sind dem Zahnarzt auch dann zu honorieren, wenn trotz kunstgerechter, zahnärztlicher Behandlung der erwünschte Erfolg ausbleibt. Das ist für Patienten oft nur schwer zu ertragen. Der Patient darf also vom Zahnarzt zur Kasse gebeten werden, selbst wenn die Prothese nach Meinung des Patienten nicht richtig sitzt, sie aber nach Sachverständigenmeinung unter Berücksichtigung der anatomischen Gegebenheiten nicht besser hätte hergestellt werden können.
In den Fällen, in denen das nicht so ist, kann sich der Patient erfolgreich gegen den Honoraranspruch des Zahnarztes zur Wehr setzen. Das hat der Bundesgerichtshof mit Urteil vom 29. März 2011 entschieden (Aktenzeichen VI ZR 133/10). Grundvoraussetzung ist aber, dass der Zahnarzt die Möglichkeit hatte, die Prothese nachzubessern, ohne dass das gewünschte Ergebnis eingetreten ist.
Folgende Punkte müssen Patienten beachten:Der Patient kann den Behandlungsvertrag mit seinem Zahnarzt gemäß § 627 BGB jederzeit kündigen. In der Kündigung sollte der Patient die aus seiner Sicht vorliegenden Kündigungsgründe (Behandlungsfehler) nennen.
Der Patient muss dem Behandler einen vermeidbaren Behandlungsfehler nachweisen. Das kann ihm außergerichtlich durch Einschaltung der Gutachterstelle / Schlichtungsstelle bei den Landeszahnärztekammern oder mittels eines Privatgutachtens oder gerichtlich im Wege eines Beweissicherungsverfahrens gelingen.
Der Sachverständige muss zu dem Ergebnis gelangen, dass der Zahnarzt durch ein schuldhaftes und nicht nur geringfügiges, vertragswidriges Verhalten die Kündigung des Patienten veranlasst hat. Das ist zum Beispiel der Fall bei fehlerhaft eingestellter Bisshöhe, fehlender Okklusion (Kontakt zwischen Ober- und Unterkiefer), falscher Größe der neu gestalteten Zähne, Ziehen eines falschen Zahnes sowie ganz allgemein bei nachhaltigen Defiziten in der zahnärztlichen Planung und Gestaltung.
Das Interesse des Patienten an der prothetischen Leistung des Zahnarztes muss objektiv weggefallen und die Prothese wirtschaftlich nicht mehr verwertbar sein. Es genügt demnach nicht, wenn nach Meinung des Sachverständigen die Prothese des Patienten objektiv wertlos ist, der Patient sie aber gleichwohl nutzt. Ferner genügt nicht, dass die Prothese vom Patienten nicht genutzt wird, obwohl sie vom nachbehandelnden Zahnarzt bei der prothetischen Versorgung des Patienten wirtschaftlich hätte verwertet werden können.
Liegen die genannten Voraussetzungen alle vor, kann der Patient die Zahlung des Zahnarzthonorars für die Prothese verweigern. Wenn er hierfür bereits in Vorlage getreten ist, kann er das Zahnarzthonorar vom Behandler zurück verlangen.
Stand: 02.11.2012
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Schadenersatz im Todesfall
Soweit dem Verursacher eines Todesfalls ein Verschulden nachweisbar ist, haben die Hinterbliebenen Anspruch auf Schadenersatz.
weiterlesenVersterben nahe Angehörige – zum Beispiel aufgrund eines ärztlichen Kunstfehlers oder bei einem Verkehrsunfall – sehen sich die Hinterbliebenen nicht selten finanziellen Belastungen ausgesetzt. Schadenersatz soll die Hinterbliebenen (finanziell) so stellen, als ob das schädigende Ereignis nie stattgefunden hat. Dieser Anspruch auf Geldleistung dient dazu, die finanziellen Belastungen zu verringern beziehungsweise erst gar nicht entstehen zu lassen.
Unter anderem ist folgender Schadenersatz für Hinterbliebene denkbar (wobei es jedoch immer auf den konkreten Einzelfall ankommt):1. Die hinterbliebenen Erben haben Anspruch, dass sämtliche Kosten, die durch das schädigende Ereignis dem Verstorbenen vor dessen Tode entstanden sind, ersetzt werden. Hierzu zählen unter anderem die vergeblichen, notwendigen Heilbehandlungskosten, Bergungskosten oder etwaige Fahrtkosten.
2. Weiter könnte die Zahlung eines Schmerzensgeldes in Betracht kommen. Einerseits könnten die Erben den Schmerzensgeldanspruch des Verstorbenen geerbt haben, andererseits besteht in wenigen Fällen die Möglichkeit, dass die Hinterbliebenen einen eigenen Schmerzensgeldanspruch wegen eigener erlittener Schmerzen haben.
Für den vom Verstorbenen geerbten Schmerzensgeldanspruch gilt, dass dieser nicht deshalb geringer zu bemessen ist, weil das Schmerzensgeld nicht dem Verstorbenen, sondern nach dessen Tod seinen Erben zugute kommt. Bei der Höhe des Schmerzensgeldes wird berücksichtigt, innerhalb welcher Zeit der Verstorbene aufgrund seiner Verletzung leiden musste.
Je kürzer die Lebenszeit des Verstorbenen mit der Verletzung war, umso geringer fällt grundsätzlich das Schmerzensgeld aus.In wenigen Fällen haben die Hinterbliebenen einen eigenen Schadenersatzanspruch gegen den Verursacher des Todes. Dieses wird von der Rechtsprechung bejaht in Fällen, in denen nahe Angehörige den Tod miterleben und aufgrund dessen eine Gesundheitsverletzung zum Beispiel in Form einer Depression erleiden.
3. Kommt durch das schädigende Ereignis eine Person zu Tode, die anderen zur Erbringung von Unterhalt gesetzlich verpflichtet ist, steht den unterhaltsberechtigten Angehörigen ein Ersatzanspruch zu. Die gesetzliche Anspruchsgrundlage hierfür ist meist § 844 Bürgerliches Gesetzbuch (BGB). Unterhaltsberechtigt sind Ehegatten untereinander, Partner einer eingetragenen Lebenspartnerschaft und Verwandte in gerader Linie (vor allem Kinder).
Der unterhaltspflichtige Verstorbene kann dabei auf zwei Arten Unterhalt geschuldet haben.Am bekanntesten ist dabei sicherlich der sogenannte Barunterhalt. Soll heißen, dass der Verstorbene in irgendeiner Form vor seinem Ableben Einkommen erwirtschaftete und dieses Einkommen nunmehr durch den Tod wegfällt. Zur Ermittlung des vom Schädiger verursachten Unterhaltsschadens wird häufig die Düsseldorfer Tabelle herangezogen. Jedoch dürfte diese von den Beträgen her zu niedrig angesetzt sein. Die Angehörigen haben meistens Anspruch auf höhere Unterhaltszahlungen.
Weiter könnte der Verstorbene Unterhalt in Form des sogenannten Betreuungsunterhalts erbracht haben. Soll heißen, dass der Verstorbene zwar kein Einkommen erwirtschaftete, aber Unterhalt gegenüber den nahen Angehörigen durch Haus- und Familienarbeit und Betreuung erbrachte. Hier ist der spezifische Wert der ausfallenden Tätigkeit zu ersetzen. Auch hier ist durch den Schädiger eine monatliche Schadenersatzrente zu zahlen.
4. Schließlich haben die Angehörigen Anspruch auf Ersatz der notwendigen Beerdigungskosten. Hierzu zählen unter anderem die Kosten der Bestattungsfeier und des Beerdigungsaktes, Kosten der Einäscherung, Kosten der Herrichtung der Grabstätte, angemessene Überführung des Verstorbenen, Kosten der Erstbepflanzung, Traueranzeige, Danksagungen und unter Umständen Unterkunftskosten für nahe Angehörige. Nicht erstattungsfähig sind jedoch die Grabpflegekosten oder die vollen Kosten für ein Grabdenkmal.
Stand: 11.07.2012
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Schlichtungsstelle
Statt eines teuren Prozesses mit ungewissem Ausgang ist der Weg zur Schlichtungsstelle der Ärztekammern oft die bessere Lösung.
weiterlesenDie ärztliche (Muster-)Berufsordnung für alle in Deutschland praktizierenden Ärzte gebietet: „Ärztinnen und Ärzte sind verpflichtet, sich hinreichend gegen Haftpflichtansprüche im Rahmen ihrer beruflichen Tätigkeit zu versichern.“ Warum das? Weil Ärzte – Chefärzte eingeschlossen – keine Halbgötter in Weiß, sondern irrende Menschen sind, denen bei der Behandlung von Patienten vermeidbare Fehler unterlaufen können.
Laut einer statistischen Erhebung der Gutachterkommissionen und Schlichtungsstellen der Bundesärztekammer gab es 14.095 registrierte Vorwürfe gegen Ärzte im Jahr 2011. Dem Geschädigten erwächst aus einem Behandlungsfehler ein Haftpflichtanspruch: Etwa auf Zahlung der Kosten für die Wiederherstellung seiner Gesundheit, auf Ausgleich von Einkommensverlusten, auf Erstattung von Mehraufwendungen (Haushaltshilfe), auf Zahlung von Schmerzensgeld.
Im Prozess steht dem Patienten der mächtige Haftpflichtversicherer des Arztes entgegen. Wohl dem, der selbst eine Rechtsschutzversicherung hat. Auf die staatliche Prozesskostenhilfe angewiesen zu sein, kann böse enden. Wenn der Prozess verloren geht, muss der Patient die Kosten für den Gegenanwalt und gegebenenfalls auch alle Gerichtskosten, die hohen Sachverständigenkosten eingeschlossen, erstatten. Doch es gibt eine Alternative zum Gerichtsverfahren.
Nutzen Sie die von den Ärztekammern eingerichteten Gutachterkommissionen und Schlichtungsstellen.Wenn Sie Ihren Fall sachgerecht und umfassend – zweckmäßig mit rechtsschutzversichertem Anwaltseinsatz – vortragen und Ihr Gegner nicht kneift, sich also auf das Verfahren einlässt, erhalten Sie eine kostenlose Begutachtung. Der von der Kommission / Schlichtungsstelle beauftragte Sachverständige erhebt Ihren Befund und äußert sich zu der von Ihrem Arzt durchgeführten Behandlung. Hat der Arzt die richtige Methode gewählt oder wäre ein anderes Verfahren heilsamer gewesen? Ist es während der gewählten Behandlung zu einem Fehler gekommen? Konnte der Arzt bei gehöriger Sorgfalt sein fehlerhaftes Verhalten vermeiden? Wurde der jetzige Leidensbefund durch die durchgeführte Behandlung verursacht?
Ein Verfahren vor der Schlichtungsstelle ist allerdings freiwillig. Auch die ärztliche Berufsordnung verpflichtet den Arzt nicht, sich dem Verfahren zu stellen. Wenn sein Haftpflichtversicherer ein Risiko sieht, wird er dem Arzt aber zur Mitwirkung raten.
Sie müssen aufpassen, dass alle Krankenunterlagen vollständig vorgelegt werden.Der Arzt hat die Dokumentationspflicht, der Patient aber ein Einsichtsrecht. Ob der Arzt Sie richtig aufgeklärt hat, lässt sich in diesem Verfahren durch Zeugen nicht beweisen. Aber sie erhalten am Ende des Verfahrens das für Sie kostenlose Sachverständigengutachten, verbunden mit einer nicht zwangsweise durchsetzbaren Empfehlung der Kommission. In Rheinland-Pfalz und Hessen kann auf Wunsch beider Parteien im Wege der Schlichtung ein Vergleichsvorschlag unterbreitet werden. Ähnlich läuft es bei der Schlichtungsstelle für Haftpflichtfragen der Norddeutschen Ärztekammern.
Fazit: Sie vermindern Ihr Prozessrisiko bei einem Regreßprozess gegen Ihren Arzt ganz erheblich, wenn Sie zuvor das Gutachterverfahren durchführen. Vielfach erledigt sich dann der Prozess, weil der Haftpflichtversicherer für den Arzt zahlt oder dem Arzt ein vermeidbarer Fehler nicht nachgewiesen werden kann. Allerdings ist in einem Punkt Vorsicht geboten: Bei Zahnärztepfusch erhebt die Schlichtungsstelle der Landesärztekammer in Rheinland-Pfalz auch vom Patienten eine Gebühr in Höhe von 400 Euro.
Stand: 31.08.2012
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Selbstbestimmung statt amtlicher Entscheidungen in den letzten Lebenstagen.
Berichte in den Medien gibt es über Krankheit und Pflege im Alter viele. Jedermann weiß, dass auch man selbst, vielleicht sogar von einem Moment zum anderen, auf die Hilfe und die Entscheidungen anderer angewiesen sein kann, zur Hilflosigkeit verurteilt sein kann, unselbständig wird.
weiterlesenBerichte in den Medien gibt es über Krankheit und Pflege im Alter viele. Jedermann weiß, dass auch man selbst, vielleicht sogar von einem Moment zum anderen, auf die Hilfe und die Entscheidungen anderer angewiesen sein kann, zur Hilflosigkeit verurteilt sein kann, unselbständig wird. Ein Unfall, ein Schlaganfall, Demenz, um nur wenige Beispiele zu nennen, können Auslöser von absoluter Hilflosigkeit sein. Man ist nicht mehr Herr seiner Entscheidungen, weil man sie nicht mehr äußern kann. Gleichzeitig ist so manchem bange vor lebenserhaltenden Apparaten, fehlender Lebensqualität oder Abhängigkeit von intensivster Pflege während solche Geräte das Leben bewahren.
Abhilfe schaffen oder zumindest zur Beruhigung beitragen, geregelt und angeordnet zu haben, was den eigenen Vorstellungen für eine solche Situation am meisten entspricht, können Patientenverfügungen. Wer keine Verfügung getroffen hat, sieht sich ärztlichen Empfehlungen, einem gesetzlichen Betreuer und dem Richter des Amtsgerichts und deren Entscheidungen ausgesetzt. Sie treffen dann die Entscheidungen über medizinische Maßnahmen bis hin zu der über Leben und Tod.
Patientenverfügung ist nicht gleich Patientenverfügung
Viele Menschen greifen daher zur Vorsorge- oder Patientenverfügung. Von ihnen kursieren zahllose Muster und Exemplare in Büchern, Broschüren oder gar im Internet. Kein Wunder: Es ist ein Geschäft. Allerdings ist keine Verfügung immer noch besser als eine schlechte. So manches Muster ist für den Fachmann in sich widersprüchlich.
Auch sollte man sich über den Inhalt einzelner Regelungen beraten lassen, bevor man sie sich mit einer Unterschrift zu eigen macht. Wussten Sie beispielsweise, dass der Wunsch, keine lebenserhaltenden Maßnahmen zu durchzuführen, sich mit der Bereitschaft zur Organspende nicht ohne Weiteres in Übereinstimmung bringen lässt? Organspende will vorbereitet sein. Das kann bis zu drei Tagen dauern. Bis dahin sollten Sie am Leben bleiben.Finger weg auch von Verfügungen mit Ankreuzfeldern. Die meisten Laien kreuzen widersprüchliche Felder und Anordnungen an. Und: Wer soll hinterher wissen, ob tatsächlich Sie das Kreuzchen gesetzt haben? Wer Sie umfassend berät, rät Ihnen auch, wo Sie Ihre Verfügung aufbewahren und wer eine Kopie davon bekommen sollte, dass sie dem Arzt auch vorgelegt werden kann, wenn sie gebraucht wird, oder was Sie tun müssen, damit sie auf jeden Fall anerkannt wird.
Vorsorge sollte auf drei Säulen ruhen. Neben der Patientenverfügung braucht es auch eine Vollmacht für diejenigen, die für Sie handeln sollen. Wer verbindliche Erklärungen gegenüber dem Krankenhaus, der Kranken- oder Pflegekasse, der Bank oder dem Finanzamt gegenüber für Sie abgeben soll, muss dazu auch bevollmächtigt sein. Wenn Sie Familie haben, braucht diese Zugriff auf Ihre Rechtsverhältnisse, vielleicht auch auf eingehende Gelder einer Versicherung, um weiterhin ihr Leben finanzieren zu können, solange Sie nicht handlungsfähig sind.
Das ist daher eine zweite Säule der Vorsorge. In üblichen Patientenverfügungen hat dies nicht zu suchen, ist dort auch nicht zu finden. Bei uns gibt es daher hierfür eine gesonderte Vollmachtsurkunde. Ohne sie kann eine Familie in Existenznot geraten.
Die dritte Säule betrifft sozusagen den letzten Rechtsakt im Leben eines Menschen: das Testament. Auch hier tut Beratung Not. Fehlvorstellungen, ungenaue Begriffe oder juristisch unvollständige Regelungen führen zu Unklarheiten, Streit und hohen Kosten. Die Kosten für eine solide Beratung durch einen Fachmann sind hier Gold wert.Stand: 23.05.2016
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Vorsorgevollmacht II
Eines der wichtigsten Ziele der Vorsorgevollmacht ist eine liebevoll-individuelle Versorgung im Alter statt einer kaltherzig-anonymen Betreuung.
weiterlesenDer Gesetzgeber unterstützt dieses Vorhaben. Hat der Betroffene eine Vorsorgevollmacht erteilt, darf keine Betreuung angeordnet werden. So ist es in § 1896 Absatz 2 Satz 2 Bürgerliches Gesetzbuch (BGB) geregelt. Streitigkeiten können jedoch das ganze System aus dem Gleis werfen. Die Vorsorgevollmacht muss so gut funktionieren wie eine Betreuung. Nur dann hält sie den staatlichen Zugriff fern.
Wird die Funktion der Vorsorgevollmacht gestört, kann – und muss – das Gericht die rechtliche Betreuung anordnen.Mit einer solchen Störung hatte es der Bundesgerichtshof in seiner Entscheidung vom 7. August 2013 zu tun (Aktenzeichen: XII ZB 671/12). Worum ging es? Die Mutter hatte ihrer Tochter im Jahr 1997 eine notariell beurkundete Vorsorgevollmacht erteilt. Alles ging gut – bis im Juli 2011, als die Mutter schon nicht mehr selbst für sich sorgen konnte, die zweite Tochter bei ihr einzog. Sie riss alles an sich, was ihre Schwester als Bevollmächtigte bislang gut geregelt hatte. Die Schwestern stritten um die Versorgung der Mutter. Das kämpferische Buhlen um die Gunst der Mutter führte schließlich dazu, dass deren Wohl gefährdet war. Das Betreuungsgericht sah keine andere Möglichkeit, als – trotz der Vorsorgevollmacht – die rechtliche Betreuung anzuordnen.
Der Bundesgerichtshof bestätigte die Maßnahme, trotz des Unbehagens, mit seiner Entscheidung das unbotmäßige Verhalten der anderen Tochter zu belohnen. Es kommt nicht darauf an, ob der Bevollmächtigte für die Situation verantwortlich ist. Maßstab ist alleine das Wohl des Betreuten. Aus diesem traurigen Fall müssen Lehren gezogen werden.
Zu Streitigkeiten kann es besonders häufig kommen, wenn mehr als nur ein Bevollmächtigter beauftragt wird.Kommt es zwischen mehreren Einzelvertretungsbevollmächtigten zum Streit, führt diese Auseinandersetzung direkt in die rechtliche Betreuung. Bei Gesamtbevollmächtigung reicht es schon aus, wenn einer der mehreren Bevollmächtigten ausfällt. Der verbliebene Bevollmächtigte darf alleine nicht vertreten. Auch dann hilft nur noch die – eigentlich unerwünschte – rechtliche Betreuung.
Riskant ist es also, mehrere Personen zu bevollmächtigen. Bei Gesamtvertretung muss in der Vorsorgevollmacht unbedingt eine Regelung getroffen werden für den Fall, dass einer der Bevollmächtigten ausfällt. Entweder wird ein Ersatzvertreter benannt, oder der verbliebene Bevollmächtigte soll dann zum Alleinvertreter aufrücken. Bei Einzelvertretungsbefugnis muss das Risiko berücksichtigt werden, dass die Bevollmächtigten sich uneins sind oder gar befehden. Es ist schwierig, diese Konstellationen vorausschauend „in den Griff“ zu bekommen.
Die Berufung mehrerer Personen zu Vorsorgebevollmächtigten sollte deshalb vermieden werden.
Im Geschwisterstreit, der der Anlass für die hier dargestellte Entscheidung des Bundesgerichtshofs war, kann durch die Bestellung eines Rechtsanwalts als Unterstützungs- und Kontrollbevollmächtigten vorgesorgt werden. Auch dazu, insbesondere zu den Kompetenzverteilungen, sind sorgfältige und individuelle Regelungen zu treffen. Solche sind in den vielen Veröffentlichungen zum Thema kaum zu finden, auch weil es sich immer um Einzelfälle handelt. Nur die auf den individuelle Fall bezogene Beratung durch einen auf den Bereich der Vorsorge spezialisierten Rechtsanwalt bietet die bestmögliche Risikominimierung.
Stand: 05.12.2013
Soziales
Der Sozialstaat wurde kräftig abgespeckt. Wo weniger zu verteilen ist, wird mehr gestritten
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Behinderung
Zur Feststellung der Behinderung beziehungsweise Schwerbehinderung sind die Versorgungsämter zuständig.
weiterlesenDiese treffen auf Antrag des Betroffenen eine Entscheidung über das Vorliegen und den Grad der Behinderung (GdB) und/oder eines Merkzeichens. Der GdB ist umfangreich zu ermitteln, da nicht lediglich eine Addition der einzelnen Funktionsbeeinträchtigungen in Frage kommt. Es muss beispielsweise geprüft werden, wie und ob sich die einzelnen Funktionsbeeinträchtigungen aufeinander auswirken. Bei einer Frage zur Ermittlung des Gesamt-GdB sollte daher immer ein im Sozialrecht erfahrener Rechtsanwalt zu Rate gezogen werden.
Nachteilsausgleich / Merkzeichen
Die Nachteilsausgleiche oder Merkzeichen können zusätzlich zum GdB anerkannt werden. Hier gibt es folgende Merkzeichen:
„G“ (erhebliche Gehbehinderung);
„aG“ (außergewöhnliche Gehbehinderung);
„B“ (Notwendigkeit ständiger Begleitung);
„H“ (Hilflosigkeit);
„RF“ (Befreiung von der Rundfunkgebührenpflicht);
„Bl“ (Blindheit);
„1. Klasse“ (Benutzung der 1. Wagenklasse mit Fahrausweis für die 2. Wagenklasse);
„Gl“ (Gehörlos).Ob eine Schwerbehinderung vorliegt oder nicht, richtet sich nach der Höhe des Gesamt-GdB.
Beträgt dieser mindestens 50, bekommt der Betroffene automatisch die Schwerbehinderteneigenschaft. Aber auch bereits mit einem geringeren GdB von 30 kann eine so genannte „Gleichstellung“ beantragt werden. Mit dieser Gleichstellung kann erreicht werden, dass auch mit einem geringeren GdB als 50 die Schwerbehinderteneigenschaft angenommen wird.
Menschen gelten als behindert, wenn ihre körperliche Funktion, geistige Fähigkeit oder seelische Gesundheit mit hoher Wahrscheinlichkeit länger als sechs Monate von dem für das Lebensalter typischen Zustand abweichen und daher ihre Teilhabe am Leben in der Gesellschaft beeinträchtigt ist (§ 2 Absatz 1 Sozialgesetzbuch IX). Da es auf eine Ursache der Behinderung nicht ankommt, zählen hierzu auch angeborene und selbst herbeigeführte Behinderungen, wie beispielsweise Selbstverstümmelungen. Um eine Abgrenzung zu vorübergehenden Erkrankungen zu finden, muss die Behinderung für mindestens sechs Monate anhalten. Maßgebend für das Vorliegen einer Behinderung ist eine mindestens sechs Monate anhaltende Funktionsbeeinträchtigung. Hierbei ist es unerheblich, in welchem Lebensbereich die Funktionsbeeinträchtigung vorliegt.
Liegt eine Schwerbehinderung vor, hat der Betroffene im Bereich des Arbeitsrechts einige Vorteile im Vergleich zu Nichtbehinderten.So steht dem Schwerbehinderten mehr Urlaub zu. Bei einer regulären Arbeitszeit von fünf Arbeitstagen pro Woche sind dies fünf Arbeitstage zusätzlich. Zudem gilt die Regel, dass für jeden Monat des Vorliegens einer Schwerbehinderung oder Gleichstellung der Zusatzurlaub zu gewähren ist. Darüber hinaus genießt ein Schwerbehinderter einen besonderen Kündigungsschutz, soweit der Arbeitsvertrag mindestens sechs Monate bestanden hat. Auch die Altersrente kann früher in Anspruch genommen werden als so genannte „Altersrente für Schwerbehinderte“. Zudem erhält der Schwerbehinderte oder Gleichgestellte einen zusätzlichen Steuerfreibetrag in Höhe von 570 Euro. Dieser Freibetrag variiert je nach Höhe des Grads der Behinderung (GdB). Das bedeutet: Je höher der GdB, desto höher der Freibetrag.
Menschen mit Behinderungen dürfen im Arbeitsleben nicht benachteiligt werden.Sie haben einen Anspruch auf eine behinderungsgerechte Beschäftigung und entsprechende Einrichtung des Arbeitsplatzes. Auch haben Schwerbehinderte beziehungsweise gleichgestellte Menschen einen Anspruch auf einen Teilzeitarbeitsplatz, wenn die Arbeitszeitreduzierung behinderungsbedingt notwendig ist. Zudem kann Mehrarbeit abgelehnt werden. Mehrarbeit bedeutet Arbeit über die gesetzlich festgelegten Arbeitszeiten von acht Stunden pro Tag oder 48 Stunden in der Woche hinaus.
Bei den aufgezählten Vorteilen ist jedoch zu berücksichtigen, dass diese nur in Anspruch genommen werden können, wenn der Arbeitgeber von der Schwerbehinderteneigenschaft weiß. Wurde diese dem Arbeitgeber nicht mitgeteilt, stehen dem Schwerbehinderten auch nicht die vor vorgenannten Vorzüge zu. Da der Arbeitnehmer bei der Einstellung nicht mitteilen muss, ob er schwerbehindert ist und der Arbeitgeber hiernach auch nicht fragen darf, obliegt es daher jedem Betroffenen selbst, die Schwerbehinderung mitzuteilen oder nicht.
Schwerbehinderte Menschen erhalten zudem zahlreiche Nachteilsausgleiche auf freiwilliger Grundlage.
Das sind zum Beispiel Ermäßigungen beim Neuwagenkauf, bei Flugreisen, beim Erwerb von Eintrittskarten und Ähnlichem. Auskünfte erteilen die jeweiligen Unternehmen und Vereine, fragen Sie dort einfach nach.
Stand: 06.11.2012
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Gesetzliche Unfallversicherung
Die von der gesetzlichen Unfallversicherung erfassten Berufskrankheiten sind in einer Liste mit folgender Gliederung zusammengefasst:
weiterlesenDurch chemische Einwirkungen, durch physikalische Einwirkungen, durch Infektionserreger oder Parasiten verursachte Krankheiten, Erkrankungen von Atemwegen, Lungen- und Bauchfell, Hautkrankheiten, Krankheiten sonstiger Ursache. Eine in der Liste nicht aufgeführte Krankheit ist „wie eine Berufskrankheit“ als Versicherungsfall anzuerkennen, wenn neue medizinische Erkenntnisse dafür sprechen, dass das Leiden in bestimmten, arbeitsbedingten Gefahrenbereichen verursacht worden ist.
Beschäftigte, Auszubildende, Schüler beim Schulbesuch, Landwirte und viele andere Personen werden durch die gesetzliche Unfallversicherung abgesichert.Dadurch sind sie bei Arbeitsunfällen, Wegeunfällen und Berufskrankheiten geschützt. Wer im Betrieb einen Arbeitsunfall erleidet, hält sich wegen Ersatz seines Personenschadens an die zuständige Berufsgenossenschaft. Schmerzensgeld erhält er nicht. Seinen Arbeitgeber (Unternehmer) kann er persönlich nur für einen Sachschaden (zum Beispiel zerrissene Kleidung) haftbar machen, wenn ein unternehmensbedingter Missstand dafür ursächlich war; der Unternehmer ist dann nicht haftungsprivilegiert. Er haftet auch voll, wenn er den Arbeitsunfall vorsätzlich herbeigeführt oder seinen Beschäftigten in einen Wegeunfall verwickelt hat.
In gleichem Umfang sind Arbeitskollegen desselben Betriebs wechselseitig haftungsfrei. Der Betriebsfrieden soll gewahrt werden. Ein Beschäftigter soll wegen seines Personenschadens nicht gegen einen Kollegen, der den Unfall fahrlässig verursacht hat, klagen müssen. Auch hier springt die Berufsgenossenschaft ein.
Kompliziert kann die Situation werden, wenn Beschäftigte verschiedener Unternehmen auf ein und derselben Betriebsstätte arbeiten und der Eine durch fahrlässiges Verhalten des Anderen einen Körperschaden erleidet.Hier gibt der Gedanke der Gefahrengemeinschaft den Ausschlag dafür, dass der Verursacher in Bezug auf den Körperschaden haftungsfrei bleibt. Der Geschädigte wird von seiner Berufsgenossenschaft in dem Umfang entschädigt, den die gesetzliche Unfallversicherung vorsieht. Allerdings gilt dieser Fall des Haftungsprivilegs nur, wenn die versicherten Beschäftigten vorübergehend auf der gemeinsamen Betriebsstätte bewusst und gewollt sozusagen Hand in Hand gearbeitet haben. Die einzelnen Maßnahmen müssen dabei miteinander verknüpft gewesen sein. Das ist beispielsweise nicht der Fall, wenn ein Maurer einen Stein vom Baugerüst fallen lässt, der einen auf dem gleichen Grundstück den Hausanschluss verlegenden Installateur einer anderen Firma trifft. Beide Versicherte sind hier zwar auf derselben Betriebsstätte tätig, sie ist aber keine gemeinsame Betriebsstätte. Hier könnte der Geschädigte gegen den Maurer und eventuell gegen dessen Arbeitgeber (Haftung für Verrichtungsgehilfen) vorgehen, hat aber insoweit keinen Schaden, als seine Berufsgenossenschaft ihn abdeckt.
Rechtlich gleich gelagert ist der auf seinem Weg zu oder von seiner Arbeitsstelle einen Verkehrsunfall erleidende Beschäftigte. Sein Wegeunfall – von der Haustür bis zum Fabriktor – ist von der gesetzlichen Unfallversicherung gedeckt. Einen Personenschaden kann er gegen den fremden Unfallverursacher, auch wenn dieser den Verkehrsunfall allein verschuldet hat, nicht durchsetzen. Sein Ersatzanspruch beschränkt sich auf den Sachschaden (zum Beispiel Kfz-Reparatur, Minderwert, Gutachterkosten, Mietwagen oder Nutzungsausfall, allgemeine Auslagen, Anwaltskosten und so weiter) sowie das Schmerzensgeld. Schmerzensgeld deshalb, weil seine Berufsgenossenschaft zwar für den Personenschaden eintritt, aber kein Schmerzensgeld zahlt.
Stand: 31.08.2012
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Opferentschädigung
Durch die Opferentschädigung sollen die unmittelbaren und die langfristigen Folgen der Tat für Gewaltopfer gemildert werden.
weiterlesenKriminalitätsopfer leiden oft doppelt und dreifach: Nicht nur durch die Tat selbst und deren unmittelbare Folgen, sondern auch durch langfristige Gesundheitseinbußen und finanzielle Nachteile. Nur wenige wissen, dass das Opferentschädigungsgesetz für diese Menschen Leistungen nach dem Bundesversorgungsgesetz gewährt. Eigentlich eine gute Sache. Aber in der Realität werden Opferentschädigungen kaum in Anspruch genommen.
Nur etwa acht Prozent aller Opfer von Straftaten stellen einen Antrag auf Opferentschädigung beziehungsweise haben damit Erfolg. Denn oft informieren weder Staatsanwaltschaft noch Polizei über die Möglichkeit der Opferentschädigung vom Staat. Dabei sollte durch das Gesetz zur Opferentschädigung ein Mindestmaß an Unterstützung für Opfer von Straftätern gewährleistet werden, denn diese laufen meistens – weil der Täter inhaftiert und pleite ist – beim Verantwortlichen mit ihren Ansprüchen ins Leere. Sollte nicht der Staat dieses Risiko absichern, indem er die Opferentschädigung vorleistet und selbst Regress beim Straftäter nimmt? Dies ist das Ziel, das hinter dem Gesetz stand. Trotzdem: Nur die wenigsten nehmen das Recht auf Opferentschädigung wahr.
Diese Unkenntnis hat oft schicksalhafte Folgen.
Wer durch eine Straftat seine Arbeitsfähigkeit verliert, rutscht schnell ab in Hartz-IV: Verlust des Arbeitsplatzes, Verlust der Wohnung, sozialer Abstieg. Mit 351 Euro (plus Erstattung der Miete für eine „angemessene“ Wohnung) muss der Betroffene im Monat auskommen. Um all diesen Gefahren für die persönliche Existenz nach einer Straftat zu begegnen, ist schnelles Handeln erforderlich, denn Leistungen nach dem Bundesversorgungsgesetz auf Opferentschädigung werden erst ab dem Zeitpunkt der Antragstellung gewährt. Wer zu lange zögert, beschleunigt die Gefahr des sozialen Abstiegs.
Was sind die Voraussetzungen für Entschädigungen?Ausgangspunkt des Anspruchs ist ein vorsätzlicher und rechtswidriger Angriff, durch den der Antragsteller verletzt wurde. Erstattet werden insbesondere Behandlungskosten. Auch Rentenleistungen werden gewährt. Wichtig zu wissen: Es gibt vom Staat keinen Ersatz für die unmittelbar durch die Angriffshandlung entstandenen Schäden zum Beispiel an der Kleidung oder der Brille. Auch für ein Schmerzensgeld kommt der Staat nicht auf. Diese Ansprüche müssen direkt beim Täter geltend gemacht werden.
Ebenfalls nicht vergessen werden darf, dass die Geltendmachung von Ansprüchen auf Opferentschädigung eine Sache des Sozialrechts ist; das Strafrecht dagegen wird angewendet, um festzustellen, ob dem Täter eine Tat nachzuweisen ist und wie der Täter gegebenenfalls zu bestrafen ist. Urteile eines Strafgerichts binden die Versorgungsämter nicht. So ist auch zu erklären, dass teilweise Ansprüche nach dem Opferentschädigungsgesetz greifen, obwohl der Täter freigesprochen wird. Dann trifft die Uneinbringlichkeit der Forderung den Staat und nicht das Opfer. Der Betroffene konnte durch schnelle Hilfe aber vor dem sozialen Abstieg bewahrt werden. Genau das ist der Sinn der Opferentschädigung.
Die Geltendmachung der Ansprüche ist für die Betroffenen eine weitere Belastung.Für viele, die unter den psychischen Folgen einer Straftat leiden, sind die Beschäftigung mit der Realisierung von Ansprüchen, lästige Streitereien mit Versicherungen und so weiter eine unzumutbare Aufgabe. Deshalb sollte nach einem solchen Schicksalsschlag unbedingt und ohne Zögern ein Rechtsanwalt aufgesucht werden. Spezialisten für solche Fälle werden in der Umgangssprache auch Opferanwalt genannt.
Ein Opferanwalt kann die mühseligen Verhandlungen mit Haftpflichtversicherungen und dem Täter selbst übernehmen. Oft liegen solche Tätigkeiten auch im Interesse des Täters – Ausgleichsverhandlungen im Vorfeld werden oft als Täter-Opfer-Ausgleich mildernd von den Gerichten gewürdigt. Vernehmungen von Zeugen, Tätern und Tatopfern werden und müssen oft auch von den Versorgungsämtern selbst vorgenommen werden, wenn die Aktenlage dies erfordert – beurteilen kann diese im Interesse des Betroffenen liegenden Aspekte am besten ein Opferanwalt. Denn häufig warten Behörden, die chronisch knapp bei Kasse sind, mit der Prüfung der Ansprüche auf Entschädigung ab, bis das Strafverfahren abgeschlossen ist – oft zu spät, um den sozialen Abstieg des Opfers noch zu verhindern.
Zeitverlust ist bei der Frage der Opferentschädigung die größte Gefahr. Wer rechtzeitig einen Anwalt beauftragt, kann dieser Gefahr effektiv begegnen.
Stand: 21.03.2012
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Sozialgericht
Wofür ist das Sozialgericht zuständig?
weiterlesenIn Artikel 20 des Grundgesetzes sind einige unumstößliche Grundsätze festgelegt. Zwei dieser Grundsätze, die sozusagen „Ewigkeitscharakter“ genießen, sind das Rechtsstaats- und Sozialstaatsprinzip. Jeder Bürger hat das Recht, sich an Gerichte zu wenden, wenn er sich – auch vom Staat selbst – in seinen Rechten verletzt fühlt. Für Streitigkeiten, die mit sozialen Themen zu tun haben, gibt es die Sozialgerichte.
Gerade dann, wenn es um Leistungsansprüche auf dem Gebiet der Daseinsfürsorge geht, gibt es immer wieder rechtliche Probleme und Streitigkeiten mit Behörden und Versicherungsträgern. Hier nur einige Beispiele:
die Arbeitsagentur lehnt die Bewilligung von Arbeitslosengeld;
die Krankenkasse weigert sich, ein bestimmtes Medikament zu bezahlen;
die Pflegekasse will für eine bestimmte Pflegeleistung nicht aufkommen;
es bestehen Streitigkeiten über den Bestand oder die Höhe eines Rentenanspruchs mit der Rentenversicherungsanstalt;
Versorgungsamt und Betroffener streiten über den Grad einer Behinderung.Bevor eine Sache vor Gericht verhandelt wird, muss natürlich versucht werden, das Problem mit der Behörde selbst zu klären.
Noch ehe ein formeller Widerspruch gegen eine Entscheidung eingelegt wird, sollte man versuchen, durch ein Gespräch mit dem zuständigen Mitarbeiter eine Lösung zu erreichen. In vielen Fällen reicht schon ein freundliches Telefonat, um Missverständnisse aufzuklären. Ist dies nicht der Fall, muss dem Bescheid formell widersprochen werden.
Ab Bekanntgabe eines Bescheids beginnt eine Frist zu laufen: die Widerspruchsfrist. Wenn innerhalb eines Monats nach Eingang des behördlichen Schreibens keine Reaktion erfolgt, ist der Bescheid bestandskräftig – nur in krassen Ausnahmefällen (zum Beispiel bei fehlender Rechtsmittelbelehrung) kann dann noch gerichtlich gegen den Bescheid vorgegangen werden. Wenn die Zeit knapp wird, reicht ein einfaches Schreiben mit etwa folgendem Inhalt: „Hiermit lege ich gegen die Entscheidung vom (Datum) Widerspruch ein. Eine Begründung wird nachgereicht.“ Eine Begründung ist zwar formell nicht vorgeschrieben, sie ist aber in jedem Fall ratsam.
Der – übrigens kostenlose – Widerspruch bewirkt, dass der Fall noch einmal von der Behörde selbst überprüft wird.
Behörden und Versicherungsträger haben meist eigene Widerspruchsabteilungen, in denen ausgebildete Juristen tätig sind. Gerade deshalb sollte man auf die Begründung besonderen Wert legen und eventuell fachlichen Rat in Anspruch nehmen. Selbsthilfegruppen, Sozialverbände, Interessenvertretungen und Rechtsanwälte sind kompetente Ansprechpartner, die bei der Formulierung und inhaltlichen Gestaltung der Begründung behilflich sein können.
Im Erfolgsfall hilft die Behörde dem Widerspruch ab – sie erkennt also den geltend gemachten Anspruch an, und eine Klage erübrigt sich. Wenn die Behörde jedoch immer noch der Meinung ist, dass der Anspruch nicht besteht, weist sie den Widerspruch zurück. Damit ist das behördliche Verfahren abgeschlossen.
Dann bleibt nur noch die Klage vor dem Sozialgericht.Wieder gilt eine Frist von einem Monat, diesmal ab Bekanntgabe des Widerspruchsbescheids, innerhalb der die Klage beim Sozialgericht erhoben werden muss. Die Adresse des Gerichts lässt sich dem Widerspruchsbescheid entnehmen.
Hier ein Formulierungsbeispiel für die Klageerhebung: „Ich erhebe hiermit Klage gegen den ablehnenden Bescheid der (Behörde) vom (Datum) und den Widerspruchsbescheid vom (Datum). Der beantragte Anspruch steht mir zu. Ich bitte daher, die (Behörde) entsprechend zu verurteilen.“ Dem kann sich eine Begründung (oder ein Verweis auf ein späteres Nachreichen derselben) anschließen. Die bereits genannten Ansprechpartner können auch hier wieder behilflich sein. Es gibt auch bei den Sozialgerichten selbst Rechtsantragsstellen, die unterstützend tätig werden können.
Es empfiehlt sich oft, bei berufs- und sozialpolitischen Verbänden oder bei Gewerkschaften wegen eines Rechtsbeistands oder Rechtsanwalts zur Prozessführung nachzufragen. Ein Anwaltszwang besteht jedoch nicht.
Wie läuft das Verfahren vor dem Sozialgericht ab?Das Gericht ist gesetzlich verpflichtet, den Sachverhalt vollständig aufzuklären. So wird bei Verfahren, die medizinische Fragen betreffen, der Kläger oft vom Gericht gebeten, die ihn behandelnden Ärzte zu benennen und von der ärztlichen Schweigepflicht zu entbinden. In manchen Fällen müssen Sachverständigengutachten eingeholt werden. Die Sachverständigen (und die zu beantwortenden Fragen) werden dabei vom Gericht festgesetzt. Der Kläger kann – wenn das Gutachten für ihn negativ ausfällt – beantragen, dass ein weiteres Gutachten erstellt wird, diesmal von einem Arzt seines Vertrauens. Allerdings sollte beachtet werden, dass man gegebenenfalls für die Kosten dieses zweiten Gutachtens selbst einstehen muss.
Nach Ermittlung des Sachverhalts setzt das Gericht einen ersten Erörterungstermin fest, in dem im Rahmen einer Beweisaufnahme auch Zeugen gehört werden können. In diesem Termin wird die Sache ausführlich besprochen. Vor allem gibt das Gericht eine Stellungnahme über die Erfolgsaussichten der Klage ab, die den Beteiligten eine Entscheidung über ihr weiteres Vorgehen ermöglicht: Klagerücknahme, Anspruchsanerkennung durch die Behörde oder – was sehr oft der Fall ist – ein Vergleich im gegenseitigen Einvernehmen. Auch eine Verfahrensbeendigung durch einen Gerichtsbescheid ist möglich, wenn keine rechtlichen Probleme bestehen und der Sachverhalt klar ist.
In allen anderen Fällen legt das Gericht einen Verhandlungstermin fest.Hier setzt sich das Gericht aus einem Berufs- und zwei ehrenamtlichen Laienrichtern zusammen. Letztere haben die gleichen Rechte wie der Berufsrichter, sind an keinerlei Weisungen gebunden und nur Recht und Gesetz unterworfen.
Der Berufsrichter stellt den Laienrichtern zunächst den Sachverhalt dar (Anträge, bisherige Ermittlungen, Gutachten und so weiter). Danach können sich die Parteien äußern. Nur wenn nicht Klagerücknahme, Anerkenntnis oder ein Vergleich den Prozess beenden, erfolgt ein gerichtliches Urteil, das nach einer Beratung durch die Richter verkündet und mündlich kurz begründet wird. Im späteren und ausführlichen, schriftlichen Urteil findet sich in der Rechtsmittelbelehrung ein Hinweis darauf, ob gegen das Urteil noch ein Rechtsmittel möglich ist.
Für Berufungen ist das Landessozialgericht (LSG) zuständig. Auch dieses Gericht kann den Sachverhalt weiter ermitteln und zum Beispiel ärztliche Informationen einholen. Wie beim Verfahren in der ersten Instanz kann das Landessozialgericht einen Erörterungs- und eventuellen Verhandlungstermin bestimmen. Spruchkörper beim LSG ist der Senat. Anders als beim Sozialgericht haben hier die Berufsrichter eine Mehrheit. Es entscheiden nämlich drei Berufs- und zwei Laienrichter.
Die letzte Instanz: das Bundessozialgericht
Wer vor dem Landessozialgericht verliert, kann nur noch vor das Bundessozialgericht in Kassel ziehen: Entweder mit einer Revision, wenn diese im Urteil des LSG zugelassen wurde, oder mit einer Beschwerde – eben gegen die Nichtzulassung der Revision.
Wann gibt es Prozesskostenhilfe?Die Leistungsempfänger, Versicherten oder behinderten Menschen, die an einem Sozialgerichtsverfahren beteiligt sind, müssen für die Gerichtskosten nicht aufkommen. Auch die eigenen Anwalts- oder Rechtsbeistandskosten müssen nur dann getragen werden, wenn der Prozess verloren wird. In diesem Fall ist die Möglichkeit gegeben, Prozesskostenhilfe zu beantragen. Für die Prozesskostenhilfe prüft das Gericht vorweg aber auch die Erfolgsaussichten des Verfahrens. Prozesskostenhilfe wird also für aussichtslose Rechtsstreitigkeiten gar nicht erst gewährt. Auch kann eine einmal gewährte Prozesskostenhilfe wieder aufgehoben werden, wenn sich persönliche oder wirtschaftliche Verhältnisse im Nachhinen ändern. Gleiches gilt, wenn eine Rechtsschutzversicherung besteht.
Stand: 28.04.2012
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Wohngeld
Wenn das Einkommen so knapp ist, dass es für das Wohnen kaum reicht, besteht oft ein Anspruch auf Wohngeld
weiterlesenBekannt ist das Wohngeld in der Form des Mietzuschusses. Weniger bekannt ist der so genannte Lastenzuschuss: eine finanzielle Hilfe für die Kosten eigener Immobilien, die man selbst bewohnt. Wer diesen Zuschuss rechtzeitig in Anspruch nimmt, kann damit der Gefahr einer Zwangsversteigerung als Folge von Zahlungsschwierigkeiten vorbeugen. Immerhin werden pro Jahr fast 100.000 Immobilien zwangsversteigert.
Beim Anspruch auf Lastenzuschuss kommt neben den Zinsen auch die Tilgung des Darlehens in Betracht. Ebenfalls berücksichtigt werden Bewirtschaftungskosten. „Instandhaltungs- und Betriebskosten“ nach § 13 Absatz 2 Wohngeldgesetz (WoGG) werden mit 20 Euro pro Jahr und Quadratmeter angesetzt, dazu kommt die Grundsteuer. Allerdings gibt es hier Obergrenzen. Letztere orientieren sich an den Bedingungen für Mieter in ähnlichen Verhältnissen. Regional wird nach Mietniveaus unterschieden, die sich in verschiedenen Mietstufen widerspiegeln.
Bei Kreditverträgen mit variablen Tilgungsraten kann die Höhe des Wohngelds beeinflusst werden. Streitig ist allerdings, ob das Wohngeldamt ein Absenken der Tilgungsrate fordern darf.
Wonach richtet sich allgemein der Anspruch auf Wohngeld (als Mietzuschuss oder Lastenzuschuss)?Die wichtigsten Kriterien sind die Anzahl der Haushaltsmitglieder, die Höhe der Miete (oder Belastung) sowie das Gesamteinkommen. Die Berechnung des Wohngeldes richtet sich nach § 19 WoGG.
Bei der Berechnung der Haushaltsgröße gibt es meist keine großen Schwierigkeiten. Zu den Haushaltsmitgliedern zählen die Familienmitglieder, wenn sie tatsächlich einen gemeinsamen Haushalt bilden. Das gilt zum Beispiel nicht bei Kindern, die auswärts wohnen. Das ausschlaggebende Kriterium ist hier die Frage, wo der so genannte Lebensmittelpunkt liegt. Bei geschiedenen Eheleuten erfolgt so zum Beispiel keine automatische Mitberechnung der Kinder für die Haushaltsgröße, auch wenn das Sorgerecht gemeinsam ausgeübt wird. Lediglich die Möglichkeit, dass in diesen Fällen ein gemeinschaftliches Familienleben geführt werden kann, soll nicht zu einem Anspruch auf Wohngeld führen. Maßgeblich sind die tatsächlichen Gegebenheiten.
Die Berechnung des anzurechnenden Gesamteinkommens dagegen kann komplizierter werden.Für den Anspruch auf Wohngeld wird das Einkommen aller Mitglieder des Haushalts berücksichtigt. Von jedem einzelnen Bruttoeinkommen werden Werbungskosten abgezogen. Zurzeit beträgt diese pauschal berechnete Summe 920 Euro pro Jahr und Person. Kindergeld wird nicht berücksichtigt. Vom verbliebenen Rest werden wiederum Pauschalen abgezogen: 10 Prozent für Rentenversicherungsbeiträge und noch einmal 10 Prozent für Kranken-, Pflegeversicherungsbeiträge und Steuern. Bis zu 30 Prozent können somit für die Berechnung des Wohngelds unberücksichtigt bleiben. Wer weder diese Versicherungsbeiträge noch Steuern zahlt, kann pauschal sechs Prozent abziehen lassen.
Vom so errechneten Haushalts-Gesamteinkommen sind noch weitere Abzüge möglich. So sind Unterhaltszahlungen anrechenbar, für die es eine beurkundete Unterhaltsvereinbarung gibt – dasselbe gilt für Unterhaltsbescheide und Unterhaltstitel. Wenn weder Titel existieren noch Vereinbarungen festgesetzt wurden, sind trotzdem weitere Absetzungen möglich: Auswärts aufhältige Haushaltsmitglieder in der Berufsausbildung können mit bis zu 3.000 Euro abgesetzt werden. Weitere Abzugsmöglichkeiten gibt es für getrennt lebende Eheleute, zum Beispiel bis zu 6.000 Euro für einen dauernd getrennt lebenden Ehegatten (oder Lebenspartner), der im Sinne des Anspruchs auf Wohngeld nicht als Haushaltsmitglied angesehen werden kann.
Die Einkommensgrenzen für den Anspruch auf Wohngeld richten sich nach der Mietstufe für die Region.Bei der höchsten Mietstufe IV (mit einem Mietenniveau 25 Prozent über dem Bundesdurchschnitt, zum Beispiel in München) beträgt die Einkommensgrenze 2.071 Euro pro Monat für einen Vier-Personenhaushalt, der alle Beiträge und Steuern zahlt.
Von einer missbräuchlichen Inanspruchnahme des Wohngeldes wird laut Richtlinien zu § 21 WoGG ausgegangen, wenn beim ersten Haushaltsmitglied mehr als 60.000 Euro und bei jedem weiteren 30.000 Euro Vermögen vorhanden sind. Die Antragsformulare für Wohngeld weisen jedoch meist keine Fragen nach dem Vermögen auf. Rücklagen für Riester-Rente, Anwartschaften auf Betriebsrente und Ähnliches kommen als Vermögen im Sinne des Wohngeldanspruchs nicht in Betracht.
Stand: 29.03.2012